Urkundenfälschung = Verwirkung gegenüber Sachversicherung ?

Der Versicherungsnehmer einer Hausratversicherung behauptet einen Einbruchdiebstahl  mit einem Schaden von mehr als 44.000,00 €. Er reicht seinem Versicherer u.a. zwei merkwürdige Quittungen über insgesamt 3.000,00 €, die wohl nachträglich „frisiert“ wurden. Der Versicherer lehnt der Schaden in voller Höhe ab. Zu Recht ? Hierüber hatte das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 06.02.2018 (4 U 164/15) zu entscheiden.

 1.   Das OLG Düsseldorf wies die Berufung des Versicherungsnehmer zurück und bestätigte das klageabweisende Urteil aufgrund Eingreifens des sog. besonderen Verwirkungsgrundes.

In der Sachversicherung findet sich in fast allen AVB folgende Regelung (z.B. B § 16 Abs. 2 VHB 2010):

 Arglistige Täuschung nach Eintritt des Versicherungsfalles
1. Der Versicherer ist von der Entschädigungspflicht frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherer arglistig über Tatsachen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, täuscht oder zu täuschen versucht.

2. Ist die Täuschung oder der Täuschungsversuch durch rechtskräftiges Strafurteil gegen den Versicherungsnehmer wegen Betruges oder Betrugsversuches festgestellt, so gelten die Voraussetzungen des Satzes 1 als bewiesen.

Der besondere Verwirkungsgrund der arglistigen Täuschung liegt vor, wenn beim Versicherer nachträglich veränderte Quittungen eingereicht werden, so das OLG Düsseldorf. Es könne dahinstehen, ob der VN selbst die Veränderungen auf den Belegen vorgenommen hat, wenn er jedenfalls wusste, dass sie verändert und damit verfälscht i.S.v. § 267 StGB waren. Von der Kenntnis des VN ist im Rahmen der Gesamtschau auszugehen, wenn der VN zwar die Schadenliste  selbst nicht geschrieben, diese jedoch unterschrieben hat, die Stehlgutliste übersichtlich ist und er auch deswegen von den Fälschungen wusste, weil er ursprünglich niedrigere Beträge als die quittierten seinerzeit gezahlten haben will.

Die Leistungsfreiheit, so der Versicherungssenat des OLG Düsseldorf weiter, tritt auch bei einer folgenlosen Täuschung ein (i.A.a. OLG Hamm VersR 2012, 356), und zwar auch dann, wenn über einen im Vergleich zur Gesamtsumme nur relativ geringen Betrag getäuscht werden soll (i.A.a. OLG Karlsruhe r+s 2000, 78). Dies sei bei einer behaupteten Gesamtschadensumme von 44.059,05 € der Fall zum einen und bei bei einer veränderten  Quittung mit einem Betrag von 3.060,00 € zum anderen der Fall, da dies bereits absolut keine nur geringfügige Summe ist und der veränderte Beleg den Versicherer zu einer Leistung veranlassen wollte, zu der dieser nicht verpflichtet war, was auch dann gilt, wenn unterstellt wird, dass der Versicherungsnehmer tatsächlich die veränderten (niedrigeren) Beträge seinerzeit gezahlt haben will, da jedenfalls auf Grundlage der eingereichten verfälschten Quittungen der Versicherer nicht die erhöhten Beträge zu leisten hat.

 2.   Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des Versicherungssenates des OLG Düsseldorf betrifft m.E. einen interessanten Punkt:

 1.  Beim besonderen Verwirkungsgrund der arglistigen Täuschung, wie er üblicherweise in den Sachversicherungsbedingungen geregelt ist, hat die Rechtsprechung über den Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB eine Einschränkung hergeleitet. Wenn die Täuschung sich nicht zum Grund, sondern ausschließlich „nur“ auf die Höhe der Entschädigung erstreckt, soll der täuschende VN lediglich in Höhe des Betrages, über den er getäuscht hat, seines Anspruches verlustig gehen. Dies sei dann der Fall, wenn die vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers zu einer unzulässigen Härte für den Versicherungsnehmer führen würde (grundlegend BGH VersR 94, 45; vgl. ferner BGH r+s 2005, 420).  In vielen Urteilen wird dabei pauschal auf das Verhältnis zwischen dem geltend gemachten und dem getäuschten Betrag abgestellt, wenn die Täuschung sich „nur“ auf einen Betrag unterhalb von 10 % bezieht, könne sich der Versicherer nicht auf eine vollständige Leistungsfreiheit berufen.  

2. Dabei wird verkannt, dass es in der Rechtsprechung, wie fast immer, es  keine festen Prozentsätze gibt. Bei höheren Beträgen kann auch ein geringerer Prozentsatz als 10 % dazu führen, daß sich der arglistig täuschende Versicherungsnehmer nicht auf Treu und Glauben stützen kann. Insoweit weist das OLG Düsseldorf darauf hin, dass der Betrag, auf den sich die verfälschten Quittungen beziehen, rund 3.000,00 € betrug, was zwar deutlich unterhalb von 10 % der geltend gemachten Forderung von über 44.000,00 € liegt (knapp 7 %), aber eben, so das OLG Düsseldorf, ein absolut nicht unerheblicher Betrag. Insoweit kommt es mithin nicht nur auf eine quotale Berechnung an, sondern auch darauf, wie hoch in absoluten Zahlen sich der getäuschte Betrag beläuft. Im Falle des OLG Celle in r+s 1994, 189 ging es um 8.800,00 DM im Verhältnis zu 13 Mio. DM. Dieses Urteil des OLG Celle ist m.E aber sicherlich (viel) zu streng.

 3. Es ist ferner zu beachten, dass kumulativ auch in diesem Fall weitere Voraussetzungen vorliegen müssen. Nicht nur der Umfang der Täuschung muss sowohl quotal als auch in absoluten Zahlen gering sein, sondern auch das Maß des Verschuldens. Dies könnte z.B. der Fall sein, wenn der VN einen tatsächlichen Schaden erlitten hat und dann vom Verkäufer sich einen inhaltlich zutreffenden Ersatzbeleg besorgt, der aber das Datum des seinerzeitigen Ankaufsvorgangs aufweist und nicht das aktuelle Datum ohne dies gegenüber dem Versicherer offenzulegen.
Wenn jedoch, wie in dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall, der Versicherungsnehmer selbst den Beleg nachträglich änderte, mithin verfälschte oder hiervon wusste, liegt kein geringes, sondern im Gegenteil ein besonders hohes Maß an Verschulden vor. Damit hatte der Versicherungsnehmer sogar den Straftatbestand des § 247 StGB (= Urkundenfälschung) verwirklicht. Dann besteht für einen Schutz des Versicherungsnehmers  in der Tat keine Veranlassung.

 3. Einer der Gründe, warum um auch bei einem arglistig getäuschten Versicherungsnehmer zu dessen Gunsten Treu und Glauben anzuwenden, ist ferner dessen Existenzbedrohung o.a. bei vollständiger Versagung des Versicherungsschutzes (vgl. BGH VersR 94, 45; VersR 92, 1465; VersR 86, 77). Dies kann insbesondere im gewerblichen Bereich der Fall sein und im privaten Bereich z.B. bei einem Totalschaden an einem selbst genutzten Einfamilienhaus. In der Hausratversicherung wird eine derartige Existenzgefährdung, erst recht, wenn es sich nur um einen Teilschaden handelt, eher die Ausnahme sein, mag auch so mancher Versicherungsnehmer das Fehlen einer Flachbildfernsehers oder eines Smarthome subjektiv als „existenzbedrohend“ ansehen.

 3.  Weiterführende Literatur – und ein wenig Eigenwerbung:

Günther, „Die arglistige Täuschung des Versicherungsnehmers nach Eintritt des Versicherungsfalls – zugleich Beitrag zu § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG“, in  ZVersWiss 2010, 607 ff.

Günther, „Betrug in der Sachversicherung“ , Verlag Versicherungswirtschaft, 2. Auflage, Karlsruhe 2013

 

 

 

 

2 Gedanken zu „Urkundenfälschung = Verwirkung gegenüber Sachversicherung ?“

  1. Man hört immer wieder von Versicherungsbetrügern. Dokumente zu fälschen scheint manchmal so einfach doch wenn man erwischt wird ist es Strafrechtlich gesehen ein schweres vergehen. In meiner Schulzeit gab es viele Studenten die hin und wieder die Unterschrift der Eltern gefälscht haben und selbst das habt ich mich nie getraut.

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  2. Ich danke Ihnen sehr für diesen Beitrag über Urkundenfälschung. In den Medien liest man ja oft davon, dass Leute versuchen über ihre Versicherung Dinge abzusetzen, die gar nicht so passiert sind. Im Zweifelsfall würde ich mich immer an einen Anwalt für Versicherungsrecht wenden, sofern die Versicherung die Zahlung verweigert und mein Anspruch berechtigt ist.

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