Letzte Ausfahrt EuGH: Transfersperre gegen den 1. FC Köln europarechtswidrig?

Die FIFA hat bekanntlich den 1. FC Köln mit einer Transfersperre im Zuge der Verpflichtung des damals 16-jährigen Jaka Čuber Potočnik aus Slowenien belegt – mit drastischen Folgen. Womöglich gibt es nun einen Lichtblick für den FC (aus Transparenzgesichtspunkten ist darauf hinzuweisen, dass der Verfasser ein sog. lebenslanges Mitglied des 1. FC. Köln ist und er seiner Frau Dr. Eva Katharina Günther, die ihm diese Mitgliedschaft schenkte, zu größtem Dank verpflichtet ist) aus einer Richtung, die jedenfalls in der Öffentlichkeit keine Rolle spielte, und zwar aufgrund eines laufenden EuGH-Verfahrens.

Worum geht es in diesem EuGH-Verfahren?

1. Geklagt hat der Fußballspieler Lassana Diarra gegen die FIFA (Fédération Internati-onale de Football Association Fédération Internationale de Football Association). Dieser Spieler war im August 2013 für vier Jahre von Lokomotive Moskau verpflichtet worden. Ein Jahr später löste Lokomotive den Vertrag auf unter Behauptung eines angebli-chen Vertragsbruches und eine angebliche Vertragsauflösung ohne triftigen Grund und verlangte von dem Spieler stolze 20 Mio. €. Der Spieler suchte sich einen neuen Verein. Dies war für ihn mehr als schwierig, da für den neuen Verein aufgrund einer FIFA-Regel die Gefahr bestand, dass er für diese behauptete Entschädigungsleistung gesamtschuldnerisch mit dem Spieler haftet. Das schreckt natürlich neue Vereine ab. Der Spieler fand schließlich doch mit Sporting du Pays de Charleroi einen neuen Verein. Dieser wollte den Spieler registrieren. Di FIFA weigerte sich indes die Regist-rierung zu bestätigen, eben aufgrund der laufenden Auseinandersetzung des Spie-lers mit Lokomotive Moskau. Im Jahr 2018 wurde dem Antrag von Lokomotive Moskau in Höhe von 10,5 Mio. € vom Sportgericht stattgegeben. Diese Entscheidung bestätig-te der CAS (Court of Arbitration for Sport) im Mai 2016 in dem Berufungsverfahren. Soweit so gut bzw. schlecht.

Der Spieler erhob nunmehr jedoch eine Schadensersatzklage gegen die FIFA auf Ersatz des Schadens in Form eines ihm entgangenen Gewinns in Höhe von 6 Mio. € mit dem Argument, die zu seinen Lasten angeführten Bestimmungen in den FIFA-Statuten seien EU-rechtswidrig.

Dass die FIFA kein Mitgliedstaat der EU ist, ist dabei unerheblich. Auch private Ein-richtungen wie die FIFA können nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH hierunter fallen und sie werden so behandelt, als wären sie ein Mitgliedstaat, wenn es um die Einschränkung von Grundfreiheiten bzw. Wettbewerbsbeschränkungen geht. Und jetzt wird es interessant, denn es geht um dieselbe Regelung, die dem FC Köln zum Verhängnis wurde (bei internationalen Verpflichtungen von Minderjährigen gel-ten zusätzlich noch die Einschränkungen Art 19 FIFA-RSTS).

2. Die Regelung, die dem EuGH-Verfahren zugrunde liegt, entsprach der, die gegen den 1. FC Köln eingesetzt wurde.

Das entsprechende FIFA-Statut bestimmt in Art. 17 RSTS:


Löst eine Partei einen Vertrag ohne triftigen Grund auf, kommen folgende Bestimmungen zur Anwendung:

1. Die vertragsbrüchige Partei ist in jedem Fall zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet. Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 20 und Anhang 4 zur Ausbildungsentschädigung und sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde, werden bei der Festlegung der Entschädigung aufgrund eines Vertragsbruchs nationales Recht, die Besonderheit des Sports sowie alle anderen objektiven Kriterien berücksichtigt. (…)

2. Das Recht auf Entschädigung kann nicht an Dritte abgetreten werden. Hat ein Berufsspieler eine Entschädigung zu zahlen, gelten für ihn und den neuen Verein sowohl eine Kollektiv- als auch eine Einzelhaftung. Der Betrag kann vertraglich festgelegt oder zwischen den Ver-tragsparteien vereinbart werden.

3. (…)

4. Im Falle eines Vertragsbruchs oder bei Anstiftung zum Vertragsbruch in der Schutzzeit können einem Verein zusätzlich zur Verpflichtung, eine Entschädigung zu zahlen, auch sportliche Sanktionen auferlegt werden. Ein Verein, der einen Berufsspieler, der seinen Vertrag ohne triftigen Grund aufgelöst hat, unter Vertrag nimmt, macht sich der Anstiftung zum Vertragsbruch schuldig, es sei denn, er kann den Gegenbeweis antreten. Als Sanktion wird dem fehlbaren Verein für zwei vollständige und aufeinanderfolgende Registrierungsperioden die Registrierung von Spielern auf nationaler und internationaler Ebene verweigert. Der Verein darf erst ab der nächsten Registrierungsperiode wieder neue Spieler registrieren (ob national oder international), nachdem er die betreffende sportliche Sanktion vollständig verbüßt hat. Er darf insbesondere weder von der Ausnahmeregelung noch von den provisorischen Maßnahmen gemäß Art. 6 Abs. 1 dieses Reglements Gebrauch machen, um Spieler zu einem früheren Zeit-punkt zu registrieren.

Der Schlussantrag des Generalanwaltes am EuGH

Am 30.04.2024 reichte der Generalanwalt beim EuGH seinen Schlussantrag ein (der vollständige Schlussantrag des Generalanwalts kann hier nachgelesen werden). Der Generalanwalt hat erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der maßgeblichen Bestimmung, und zwar aus zwei rechtlich selbständigen Erwägungen, zum einen bzgl. der Freizügigkeit (Art. 45 AEUV = „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“, dieser ergänzt den Vertrag über die Europäische Union und enthält zahlreiche Inhaltsbestimmungen zu konkreten Umsetzung), zum anderen unter dem Gesichtspunkt des Kartellrechtes (Art 101 AEUV), der ja bei Sportverbänden als Monopole immer zu prüfen ist.

1. Das FIFA-STATUT in Art 17, könnte, so der Generalanwalt, gegen die EU-rechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 45 AEUV verstoßen.

Gerade Monopolverbände wie die FIFA müssen auf diese europarechtlichen Grundfreiheiten bei einem grenz-überschreitenden Wechsel von Sportlern achten. Auf der anderen Seite könnten solche Beschränkungen gerechtfertigt sein, wenn hierfür ein Allgemeininteresse einer Einhaltung vertraglicher Bindungen bestehe. Eine Schadensersatzpflicht eines ver-tragsbrüchigen Spielers ist als solche unproblematisch; problematisch ist es hingegen zum einen, wenn (auch) gegen den neuen Verein daraufhin Sanktionen verhängt werden. Dies wären allenfalls dann angemessen, wenn der übernehmende Verein den womöglich vertragsbrüchigen Spieler zu seinem Vertragsbruch angestiftet hat.

Was aber aus Sicht des Generalanwalt überhaupt nicht geht, ist die Beweislastumkehr zu Lasten des neuen Vereins. Dieser führt u.a. aus (Rz. 68, wenngleich zu Art 101 AEUV):

Zwar mag es aus Sicht der FIFA schwierig sein, die Gründe für die vorzeitige Auflösung des Vertrags des Berufsspielers mit dessen ehemaligem Verein zu ermitteln, wenn ein Spieler von einem anderen Verein verpflichtet wird, doch geht eine systematische Haftung des neuen Ver-eins in einem Fall, in dem der neue Verein bei der Beendigung des Vertrags keine Rolle gespielt hat, meines Erachtens über das hinaus, was für die Verfolgung des legitimen Ziels erforderlich ist.

Die in Art. 17 Ziff. 4 RSTS vorgesehene Vermutung, dass der neue Verein den Spieler zu dem Verstoß veranlasst hat, erscheint drakonisch, da mir nicht ersichtlich ist, wie der neue Verein seine „Unschuld“ beweisen kann.

Auch wenn man – wie die FIFA und die Kommission – argumentieren könnte, dass von der An-wendung von Art. 17 Ziff. 2 RSTS abgewichen werden könne, da die KBS befugt sei, die An-wendung des Grundsatzes der gesamtschuldnerischen Haftung einzuschränken(49), bin ich der Auffassung, dass die Einräumung eines solchen Ermessensspielraums zugunsten der KBS nicht die erforderliche Rechtssicherheit für Spieler und Vereine schafft, da alles von der Durch-führbarkeit und Schnelligkeit eines Verfahrens abhängt, das offenbar schwer zu überprüfen ist.

Dies dürfte nachvollziehbar sein, insbesondere bei Spielern, die ihren Vertrag berechtigterweise kündigen, der alte Verein diese Kündigung jedoch nicht akzeptiert und während der Schwebezeit über die Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung eine Unklarheit für womöglich längere Zeiträume besteht. Dies hat die Folge, dass der neue Verein, da er befürchten muss, mit dem Spieler gesamtschuldnerisch haftbar gemacht zu werden, von dessen Verpflichtung Abstand nimmt.

2. Von Bedeutung sind auch die Ausführungen des Generalanwalts zum Kartellrecht. In den Fällen käme es auf eine Beschränkung der Vertragsfreiheit unter Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gar nicht mehr an, dann wäre die entsprechende FIFA-Regelung in toto rechtswidrig.

Auch wenn es sich hierbei nicht um ein EuGH-Urteil handelt, sondern nur um einen vorbereitenden Schlussantrag des Generalanwalts und eine solche Institution als eine Art rechtsgutachterlicher Berater dem deutschen Recht fremd ist (etwas ähnliches gab es nur in der frühen Neuzeit, wo die Gerichte die Gerichtsakten an Universitäten versandten, um von dort dann einen Entscheidungsvorschlag zu erhalten) , hat dieser eine enorme Bedeutung. Denn in rund ¾ der Fälle folgt der EuGH ganz oder teilweise den Schlussanträgen des Generalanwalts.

Bedeutung für den 1. FC Köln


Wenn der EuGH womöglich noch vor Beginn der Sommertransferperiode 2024 ein Urteil entsprechend den Antrag des Generalanwalts erließe, wäre dann die Transfersperre zu Lasten des 1. FC Köln hinfällig? Oder wenn der EuGH erst nach diesem Transferfenster entscheidet aber noch vor dem Winter-Transfersperren, dann hätte der FC seine Strafe ohnehin „abgesessen“, kann der 1. FC Köln dann vertragslose Spieler verpflichten?

1. Auf den ersten Blick spricht dagegen, dass im EuGH-Verfahren Kläger nicht der übernehmende Verein war, sondern der Spieler. Der aufnehmende Verein war an dem Verfahren nicht beteiligt. Dies dürfte indes zu kurz gegriffen sein. Denn der aufnehmende Verein würde mit dem Spieler gesamtschuldnerisch haften und die Transfersperren betrifft diesen Verein erst recht, wenn diese auf einer EU-rechtswidrigen Grundlage beruhen würde.

2. Der Generalanwalt hat in seinem Schlussantrag ausführlich die Grundsätze der Freizügigkeit zum einen und deren Anwendung unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit zum anderen bewertet. Grundsätzlich macht es sicher Sinn, dass eine Schadenersatzpflicht ausgelöst wird, wenn Spieler ihre Verträge ohne triftigen Grund auflösen. Dabei fordert Generalanwalt zum einen eine Begrenzung bei der Höhe, wobei der „geschuldete Betrag darf nicht über das hinausgehen, was vernünftigerweise als erfor-derlich angesehen werden kann, um der anderen Partei den durch den Vertragsbruch erlittenen Schaden zu ersetzen“. Bedeutung für den FC in dem Potočnik-Fall haben diese Ausführungen nicht.

Gewichtiger sind die Ausführungen des Generalanwalts, wonach es zwar aus Sicht der FIFA schwierig sein mag, die Gründe für die vorzeitige Auflösung des Vertrags zu ermitteln, jedoch eine „systematische Haftung des neuen Vereins“, wenn der neue Verein bei dem Vereinswechsel keine Rolle gespielt hat, gehe über das legitime Ziel deutlich hinaus. Insbesondere die Beweislastumkehr, so der Generalanwalt in Rz. 68,

erscheint drakonisch, da mir nicht ersichtlich ist, wie der neue Verein seine „Unschuld“ beweisen kann.

Es spricht auch ohne FC-Brille eine m.E. sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der EuGH jedenfalls dieser Bewertung des Generalanwalts folgen wird. Die in der Tat „drakonische“ Beweislastumkehr in Verbindung mit einer gesamtschuldnerischen Haftung ist ein zu scharfes Schwert.

Schon zuvor wurde in der Literatur gerade die Beweislastumkehr in den FIFA-Statuten kritisiert (ausführlich hierzu Scheuch, „Transfersperre dank Beweislastumkehr, SpuRt 2023, 443), und zwar bereits mit Bedenken seiner Vereinbarkeit mit EU-Recht.

Dies gilt umso mehr, als es sich in Art. 17 um eine „echte“ Beweislastumkehr“ handelt, der aufnehmende Verein mithin den vollen Gegenbeweis führen muss. Es geht also nicht nur um die Erschütterung eines Anscheinsbeweis o.a. (auch wenn in den Ent-scheidungen des CAS dabei die Formulierungen durcheinandergehen und z.T. un-terschiedliche Beweismaßstäbe angewendet werden, vgl. Scheuch a.a.O.).

Aber hilft dem FC Köln die unterstellte Rechtswidrigkeit dieser Beweislastumkehr jetzt noch weiter?

Dies steht in den Sternen. Denn zum einen müsste der EuGH zeitnah entscheiden. Wann er entscheidet, ist offen. Das kann in einigen Wochen oder wenigen Monaten geschehen, aber erst in einem Jahr. Zum anderen hatte sich der FC Köln nach dem CAS-Urteil dazu entscheiden, gegen dieses nicht mehr vorzugehen, was nur durch Anrufung des Schweizer Bundesgerichtes möglich gewesen wäre. Allerdings hätte das Schweizer Bundesgericht Verstöße gegen das EU-Recht ohnehin nicht geprüft. Die CAS-Entscheidung wurde jedenfalls bestandskräftig und zu überlegen wäre allenfalls, ob man noch „irgendwie“ die Vollstreckung der Strafe abwenden könnte.

Problematisch ist weiterhin, dass die Entscheidungsgründe des CAS-Urteil nicht veröffentlicht sind. Es ist also der Öffentlichkeit unbekannt, wie die Begründung des CAS im Einzelnen in concreto lautet. Dies wäre von Bedeutung. Denn es gibt durchaus, wenngleich eher selten, Fälle, bei denen der CAS sich nicht auf den nicht geführten Gegenbe-weis zurückzieht, sondern positiv eine Anstiftung zur Vertragsbrüchigkeit bejaht (CAS vom. 10.11.2020– 2019/A/6463 & 6464, CAS vom 27. 10.2020 – 2020/A/6796). Der Regelfall ist allerdings, dass sich der CAS auf die Beweislastumkehr in Art 17 stützt und wenn der neue Club bereits vor der Kündigung des Spielers in den Vorgang involviert war, wofür bei dem 1. FC Köln womöglich einiges spricht, geht der CAS von einer Anstiftungsvermutung aus (CAS vom 24. 11.2016 – 2016/A/4550 & 4576; CAS vom 11. 2.2022 – 2021/A/7851 & 7905).

Ferner werden seitens der Sportgerichtsbarkeit Clubs, „die bei der Verpflichtung des Spielers wussten, dass sich ein anderer Club auf eine bestehende Vertragsbindung beruft, in aller Regel verurteilt. Gleichbehandelt wird der Fall, dass der neue Club bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt („due diligence“) auf die bestehende Bindung hätte aufmerksam werden müssen; verlangt wird insbesondere, dass man sich nicht auf die Auskünfte des Spielers verlässt, ohne sich bei dessen früherem Club bzw. beim zuständigen Verband zu vergewissern“, so Scheuch a.a.O. Es erscheint dabei als nicht ausgeschlossen, dass selbst bei einer Unwirksamkeit der Beweislastumkehr ein Ge-richt im Rahmen seines (sport)richterlichen Ermessen von der Anstiftung des Spieles Potočnik durch den 1. FC. Köln überzeugt sein könnte (für eine besser Bewertung bedarf es indes Kenntnis vom gesamten Akteninhalt des sportgerichtlichen Verfah-rens und ggf. weitere und nicht in die Gerichtsakte geflossenen Informationen).

3. Noch interessanter für den FC Köln dürften die wettbewerbsrechtlichen Ausführungen des Generalanwaltes sein

Es könnte sich bei der FIFA-Regelung um eine unzulässige Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des EU-Binnenmarkts han-deln (Rz. 47 ff des Schlussantrags). Auch hier stellt der Generalanwalt darauf ab, dass ob der „drakonischen“ Folgen es höchst unwahrscheinlich ist, dass der Spieler seinen Vertrag auflöst, wenn er sich hohen Schadenersatzansprüchen ausgesetzt sieht. Der Generalanwalt formuliert es sehr bildhaft, dass ob dieser möglichen Folgen

es jedem Spieler kalt über den Rücken läuft.

Das gleiche gelte, so der Generalanwalt, für Vereine, die möglicherweise daran interessiert sind, Spieler mit neuen Angeboten zu locken, während diese Spieler sich noch in einem laufenden Vertragsverhältnis befinden, dass

Preisschild für eine solche Vorgehensweise wäre extrem hoch.

Daher liege eine Einschränkung des Art. 101 Abs. 1 AEUV vor und die Voraussetzungen einer Freistellung seien nicht erfüllt. Allerdings schränkt der Generalanwalt ein, dass mit Blick auf Art. 101 AEUV es anders sei, wenn überzeugende Argumente oder Beweise dargetan werden,

dass hier zugleich durch die Verfolgung einzelner oder mehrerer legitimer Ziele gerechtfertigt und zu diesem Zwecke zwingend erforderlich sind.

Sollte der EuGH diesem – rechtlich eigenständigen – wettbewerbsrechtlichen Begründungsweg des Generalanwaltes folgen, käme es mithin auf die Einschränkung der Freizügigkeit womöglich mehr an.

Ein solches mögliches Urteil des EuGH würde ähnlich wie das Bosman-Urteil des EuGH aus dem Jahre 1995) wie eine Bombe einschlagen. LTO spricht für diesen Fall von einem „Bulldozer für das Fußball-Transferwesen“.

Möglichkeiten des 1. FC Köln

1. Zu denken wäre für den Fall eines (aus Sicht des FC) positiven EuGH, die FIFA auf Schadensersatz zu verklagen.

Wy not? Diese wäre rechtlich grundsätzlich möglich, ggf. auch in Form der Einreichung einer Schadensersatzklage vor einem deutschen Gericht. Diese Klage wäre gleichwohl aber kein Selbstläufer.

Dabei kommt es darauf an, wie der EuGH genau entscheidet. Wenn dieser sich nämlich ausschließlich auf die Unwirksamkeit der Beweislastumkehr stützen würde, wäre in diesem Schadensersatzprozeß inzident zu prüfen, ob zum einen die Kündigung des Spieles wirksam war und wenn nicht, ob dem FC Köln eine Anstiftung des Spieles zum Vertragsbruch nachzuweisen wäre.

Ferner wäre vom FC Köln zunächst ein wirtschaftlicher Schaden nachzuweisen. Der 1. FC Köln hat durch die Transfersperre erhebliche Mittel eingespart, sowohl was Gehälter als auch Ablösezahlungen, Zahlungen an Berater u.a. angeht. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat sich während des sportgerichtlichen Verfahrens und nach Aussprechen der Transfersperre die angespannte wirtschaftliche Situation des 1. FC Köln, und zwar deutlich, gebessert. Auf der anderen Seite hat sich die sportliche Bi-lanz drastisch verschlechtert bis hin zum Abstieg in die 2. Bundesliga und in deren Folge auch die Höhe der künftigen Einnahmen durch reduzierte TV- und Sponsor- und Ticketeinnahmen.

Gleichwohl ist neben einen wohl nachzuweisenden wirtschaftlichen Schaden die Kausalität fraglich. Gegen die Kausalität spricht, dass der 1. FC Köln selbst in der Sommer-Transferperiode 2023, als aufgrund einer einstweiligen Anordnung er zu diesem Zeitpunkt trotz des laufenden CAS-Verfahrens neue Spieler hätte verpflichten können, hiervon so gut wie keinen Gebrauch gemacht hat. Aller-dings wird seitens des 1. FC Köln betont, dass es feste Kaufabsichten mit Spielern während der Zeit gab (wie z.B. bzgl. des Spielers Hollerbach), die jedoch aufgrund des laufenden CAS-Verfahrens scheiterten. Hier würde in einem Schadensersatzprozeß sicher eine komplexe Beweiserhebung erfolgen müssen, ob der notwendige Grad an Gewissheit gegeben ist, dass die Transfersperre für den Abstieg des 1. FC Köln (mit)ursächlich war.

2. Unabhängig bzw. im Vorfeld einer solchen Klage wäre sicherlich eine unverzügliche Aufnahme von Gesprächen mit der FIFA überlegenswert.

Hier könnte der 1. FC. Köln ggf. unter Hinweis auf eine drohende Schadensersatzklage gegen die FIFA im zweistelligen Millionbereich versuchen, eine Einigung mit der FIFA zu erzielen. Ein denkbares Szenario wäre beispielsweise, dass der der FC auf seine etwaigen Schadensersatzansprüche gegenüber der FIFA verzichtet, wenn diese die Transfersperre mit sofortiger Wirkung aufhebt. Allerdings steht mehr als zu bezweifeln, ob die FIFA aktuell dazu bereit wäre, da dieses Vorgehen deren nach dem Schlußantrag des Generalanwalte ohnehin schwache Rechtsposition im laufenden EuGH-Verfahren konterkarieren könnte. Sollte der EuGH indes wider Erwarten noch vor der Sommer-Transferperiode entscheiden, wäre dann die Rechtsposition des 1. FC Köln gegenüber der FIFA sicherlich eine viel bessere.

2. Eine ähnliche Problematik stellt sich auch für Schadenersatzansprüche des 1. FC Köln gegen aktuelle und/oder frühere Mitarbeiter und/oder deren externen juristische Berater.

Dabei gibt es eine Verpflichtung des Aufsichtsorgane, solche Ansprüche, wenn eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, zu verfolgen. Eine solche Inanspruchnahme in Form einer Innenhaftung gegenüber eigenen Mitarbeitern ist nichts Besonderes und wird von Versicherungen in Form einer D&O-Versicherung (director’s. & officer’s liability insurance) gedeckt. Ob der FC Köln eine solche D&O-versicherung abgeschlossen hat, ist in der Öffentlichkeit nicht bekannt.

Sollte der 1. FC Köln seinerzeit einen Rechtsrat durch eine externe Anwaltskanzlei vor der Verpflichtung des Spieles eingeholt haben, stellen sich ähnliche Überlegungen im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch gegen diesen etwaigen externen juristischen Berater. Eine Haftung von während des laufenden schiedsgerichtlichen Verfahrens eingeschalteten externen rechtlichen Beratern käme gleichfalls in Betracht, wenn zu diesem Zeitpunkt noch eine einvernehmliche Einigung mit dem slowenischen Verein möglich gewesen wäre und ein Berater von einer solchen Einigung jedoch abriet bzw. zu nicht ausreichenden Konditionen, also eine unzutreffende Risikobewertung erteilte, die zu diesem Zeitpunkt wohl schon in Richtung „what-ever-it-takes“ hätte lauten dürfen. Hier bleiben die vom FC Köln für Juni 2024 angekündigten weiteren Informationen abzuwarten. Allerdings: Bei allen etwaigen Ansprüchen stellt sich aber auch hier die große Problematik der bereits diskutierten Kausalität.

Die abschließende Hoffung ist: Möge der EuGH rasch entscheiden!

Ergänzung vom 27.05.2024

Nach der Veröffentlichung diese Beitrages konnte der Unterzeichner Einsicht in die vollständige – 55seitige – Entscheidung des CAS vom 21.12.2024 nehmen.

Die Kenntnis von der vollständigen Begründung ist von Interesse, insb. wie man auch aus Sicht ex ante am 31.02.2021 zu einer Risikobewertung kommt, daß keine ernsthafte Gefahr einer Transfersperre besteht, sondern man FC-intern wohl allenfalls mit einer moderaten Geldstrafe rechnete.

droht, sondern

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