Aufbewahrung des Fahrzeugscheins im Auto – Einladung zum Diebstahl?

Anmerkung OLG Dresden (Urt. v. 12.04.2019 – 4 U 557/18)

Es ist nicht unüblich, dass Fahrer den Fahrzeugschein im Auto aufbewahren, um dem Verwarnungsgeld der Polizei bei fehlendem Fahrzeugschein zu entgehen. Riskiert man aber damit seinen Versicherungsschutz in der Kaskoversicherung, weil dadurch

der Diebstahl des Fahrzeugs erleichtert oder sogar ermöglicht wird? Eine, wie das OLG Celle es bezeichnet, verbreitete Unsitte, die auch den Versicherern nicht verborgen geblieben sein kann.

Eine alleinerziehende Mutter begehrte als Klägerin Leistungen aus der Kaskoversicherung aufgrund derEntwendung ihres Kfz. Den Fahrzeugschein verwahrte sie regelmäßig im Handschuhfach ihres Fahrzeugs. Das OLG Dresden hatte in vorliegendem Fall (Urt. v. 12.04.2019 – 4 U 557/18) zu klären, ob die ständige Aufbewahrung des Fahrzeugscheins im Handschuhfach des gestohlenen Fahrzeugs Herbeiführung des Versicherungsfalls gem. § 81 VVG oder eine Gefahrerhöhung gem. §23ff. VVG darstellt.

Das OLG Dresden schließt die grob fahrlässige oder gar vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles gemäß § 81 VVG aus. Bei der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles (§ 81 Abs. 1 VVG) müsse sich der Vorsatz auf den Versicherungsfall beziehen. In seiner Argumentation hinsichtlich der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles folgt das Gericht der Argumentation des BGH in dessen Urteil vom 17. 5. 1995 (Az.: IV ZR 279/94) und führt aus, dass die Aufbewahrung des Fahrzeugscheins im Fahrzeug nicht kausal für die Entwendung geworden sei, weil der Dieb den Entschluss des Diebstahls bereits gefasst habe, bevor er den Fahrzeugschein im Handschuhfach entdeckt hat und somit nicht dadurch beeinflusst werden konnte. Anders wäre es möglicherweise, wenn der Fahrzeugschein von außen sichtbar gewesen wäre. (Hierzu auch OLG Oldenburg, Urt. v. 23. 6. 2010, Az.:5 U 153/09; a. A.: LG Dortmund, Urt. v. 20.07.2010, Az.: 6 O 760/82).

Weiter schließt das OLG Dresden das Vorliegen einer Gefahrerhöhung zwar aus, macht diesbezüglich jedoch keine weiteren Ausführungen.

In der Rechtsprechung wird das Vorliegen der Gefahrerhöhung in diesem Zusammenhang kontrovers behandelt:

Das OLG Celle (Urt. vom 09. 08. 2007 – 8 U 62/07) vertritt grundsätzlich die Auffassung, dass das Belassen des Fahrzeugscheins im Auto eine Gefahrerhöhung darstellt, da dieser dem Täter erlaube, das Fahrzeug dauerhaft zu entwenden. Zudem könne dadurch bei einem Täter, der nur nach Wertsachen sucht, der Diebstahlvorsatz hervorgerufen werden, da ein Diebstahl durch die Legitimierung als berechtigter Fahrer mit dem Fahrzeugschein erleichtert werden würde.

 

Die herrschende Meinung verneint eine Gefahrerhöhung aufgrund der Aufbewahrung des Fahrzeugscheins im Auto. Nach dem OLG Oldenburg, (Urt. v. 23. 6. 2010 – 5 U 153/09) läge allenfalls eine unerhebliche Gefahrerhöhung vor, da die Steigerung des Eintritts des Versicherungsfalles nur unwesentlich durch das Aufbewahren des Fahrzeugscheins im Auto gesteigert werde. Der Entschluss zur Entwendung und einer anschließenden Verwertung des Fahrzeugs würde bereits vor der Entwendung gefasst und nicht erst durch das Auffinden der Papiere im Fahrzeug. Ein Täter, der bei dem Versuch, Wertsachen zu entwenden, den Fahrzeugschein findet, würde dadurch nicht zu einem Diebstahl des Fahrzeugs motiviert werden, da in diesem Fall im Vorhinein keine Vorsorge bezüglich des Wegschaffens des Fahrzeugs getroffen wurde. Das sich hieraus ergebende erhöhte Risiko des „spontanen“ Diebstahls würde ein Täter nicht eingehen (OLG Hamm, Urt. vom 3. 7. 2013 – 20 U 226/12).

Eine Erleichterung bei der Verwertung im Ausland sei ebenfalls nicht gegeben: Der Grenzübertritt sei mit dem Fahrzeugschein zwar möglich, jedoch nur wenn das Fahrzeug noch nicht zur Fahndung ausgeschrieben sei. Bei Grenzüberschreitungen würden bei zur Fahndung ausgeschriebenen Fahrzeugen nicht die Fahrzeugpapiere, sondern die Fahrzeugidentifikationsnummern (FIN) kontrolliert werden. Diese müsse vom Täter daher sowohl im Fahrzeug als auch auf den Papieren geändert werden. Täter mit der Absicht, ein Fahrzeug im Ausland zu verwerten, müssten aufgrund des geringen Zeitfensters daher bereits vor dem Diebstahl gefälschte Fahrzeugpapiere anfertigen, um das Fahrzeug vor der Fahndung wegschaffen zu können. Innerhalb des Schengenraums sei der Besitz des Fahrzeugscheins ebenfalls unerheblich für den Täter, da sich ein Verkauf des Fahrzeugs ohne Fahrzeugbrief schwierig gestalten würde.

Es bleibt ein gewisser Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage, ob eine Gefahrerhöhung vorliegt oder nicht. Dennoch ist einem Versicherungsnehmer zu raten, den Fahrzeugschein nicht im Auto aufzubewahren und statt des Originals eine Kopie im Fahrzeug bereitzulegen. Damit entgeht man einem vermeintlichen Verwarnungsgeld der Polizei, behält mit Sicherheit Versicherungsschutz und umgeht einen möglichen Rechtsstreit mit seinem Versicherer.

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