Tresorklausel: „verschlossen“ = „verschlossen“ ? (Anm. zu OLG Koblenz r + s 2013, 499)

Inhaltsschilderung

Das Landgericht hatte die Beklagte Hausratversicherung zur Zahlung weiterer 7850 € als Versicherungsleistung verurteilt, da Wertsachen aus einem verschlossenen Behältnis – hier: Tresor – im Rahmen eines Einbruchdiebstahls entwendet wurden.

Problem der Entscheidung

Die Besonderheit im vorliegenden Fall liegt in der genauen Begriffsdefinition eines „verschlossenen Behältnisses“. Im Umkehrschluss muss man im Detail die Frage klären, wann genau ein Tresor als verschlossen gilt.

1. Das OLG Koblenz stellt im vorliegenden Fall ausschließlich auf das objektive Merkmal eines verschlossenen Tresors ab. Demnach gilt, wenn man dem strengen Wortlaut folgt: „Verschlossen ist verschlossen.“ – dies bedeutet gleichzeitig auch, dass lediglich der Verriegelungsmechanismus betätigt werden muss, damit ein Verhältnis als verschlossen gilt. Völlig unabhängig davon sei in diesem Zusammenhang der Aufbewahrungsort des Schlüssels. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Schlüssel, dieser Theorie folgend, dann auch auf dem Tresor liegen könnte und trotzdem als verschlossen gelte.

Als Begründung dafür führt das OLG Koblenz an, dass die Klausel in den Versicherungsbedingungen so auszulegen ist, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Demnach kommt es beim Verständnis eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse auf den Wortlaut an, an dem sich dieser orientieren wird.Die Argumentation, ausschließlich auf den technischen Verschluss des Tresors abzustellen unterstellt gleichzeitig, dass der Aufenthaltsort des Schlüssels in keiner Weise von Bedeutung ist.

Natürlich kann die Kenntnis des Täters vom Aufbewahrungsort des Schlüssels das Behältnis nicht immer gleichzeitig auch unverschlossen machen, denn bei der Kenntnis handelt es sich stets um ein subjektives Merkmal. Zudem müsste man bei dem subjektiven Merkmal klären, woher die Kenntnis des Täters kommt. Hat er durch eigene Anstrengungen und Beobachtungen den  Aufbewahrungsort ausfindig gemacht oder steht am Eingangstor des Hauses überspitzt gesagt eine genaue Wegbeschreibung und Anleitung zur Öffnung des Tresors mit der freundlichen Bitte „Rauben Sie uns gern aus“?

Dem subjektiven Merkmal dürfte in der Praxis eine zentrale Bedeutung zukommen. Die subjektive Kenntnis des Täters vom Aufbewahrungsort des Tresorschlüssels ist nicht gleichzusetzen mit dem Fall, dass der Täter den Schlüssel griffbereit in der Nähe des Tresores vorfindet und diesen ohne Widerstand öffnen kann. Allerdings darf regelmäßig angenommen werden, dass wenn ein Schlüssel eines Tresors sich unmittelbar auf diesem findet und somit geöffnet werden kann nicht als verschlossen gilt. Welchen Sinn und Zweck hätte sonst ein Schlüssel? Der Sinn und Zweck eines Schlüssels besteht doch insbesondere darin, dass nur Personen, die Zugang zum Tresor haben sollen, auch nur einen Schlüssel besitzen. Andernfalls wäre die Existenz eines Schlüssels zur Legitimation (Öffnung des Tresors) in der Praxis völlig gegenstandslos. Dies gilt unter anderem auch für den Aufenthaltsort des Schlüssels bzw. über die Kenntnis dessen.Insofern darf man beim subjektiven Begriff „verschlossen“ davon ausgehen, dass es sich um einen wirklich verschlossenen Tresor handelt und der dazugehörige Schlüssel in der Regel „vernünftig versteckt“ wurde. Andernfalls würde die Haftung des VR ggü. des VN völlig unkalkulierbar sein.

Das OLG Koblenz führt ebenfalls an, der Annahme eines verschlossenen Behältnisses im Sinne der Hausratversicherung steht nicht entgegen, dass der Schlüssel des Behältnisses in einem anderen Raum in einem Hohlraum zwischen Decke und Holzdecke versteckt war, so dass ein möglicher Täter den Schlüssel nicht ohne weiteres und ohne eigene Anstrengungen in unmittelbarer Griffnähe zum Bestimmungsschloss des Behältnisses hätte auffinden können.

2. Im  Rahmen der Berufung sei das LG zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Schlüssel in einem anderen Raum versteckt gewesen sei. Demnach hätte sich der Schlüssel auf dem Tresor befunden, was zur Folge hätte, dass der Tresor nicht verschlossen gewesen wäre, da man diesen ohne Überwindung eines Widerstandes und eigenen Anstrengungen hätte öffnen können. Allerdings hat die Beklagte diesen Hinweis nicht angegriffen, weshalb der Senat gem. § 529 Abs. 1 ZPO an die Feststellung (Schlüssel war in einem anderen Raum) gebunden ist.

Selbst wenn der Sohn der Klägerin dem Täter neben dem Inhalt des Tresores auch den Aufbewahrungsort des Schlüssels mitgeteilt hätte, würde nur ein grob fahrlässig herbeigeführter Versicherungsfall begründet werden. Darauf kommt es allerdings im vorliegenden Fall gar nicht an, denn die Beklagte hat auf eine Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des VersFalls gem. § 33 Nr. 2 S. 3 VHB verzichtet.

Im Ergebnis geht es doch darum, wie man den Begrifft „verschlossen“ auslegt. Folgt man der rein objektiven Auslegung, so muss lediglich der Verriegelungsmechanismus betätigt werden. In diesem Zuge ist der Aufenthaltsort des Schlüssels belanglos. Dass dies in der Praxis folglich wenig Sinn ergibt führt automatisch dazu, dass man den Begriff eher subjektiv auszulegen hat. Demnach sollte der Tresor abgeriegelt werden und der Schlüssel darf ohne Widerstand nicht einfach aufzufinden sein. Im Idealfall ist dieser gut versteckt (so, dass ein Täter diese nicht findet) oder der VN führt diesen bei sich. Auch sollten nur wenige Personen vom Aufenthaltsort des Schlüssels wissen.

Bezug zu anderen Entscheidungen

Aber nun zurück zur Frage: „Wann gilt ein Tresor als verschlossen?“

Eine zutreffende Beschreibung wann ein Behältnis als verschlossen gilt findet sich in Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht 4. Auflage 2017 Rn.98-99. Demnach müssen alle vorhandenen Verschlüsse betätigt sein und ein passender Schlüssel darf ohne ernstliche Suche nicht zur Verfügung stehen (vgl. OllickVerBAV 1981, 34 (41)).

Ebenfalls gilt ein Geldschrank als verschlossen, wenn sämtliche Öffnungen verschlossen sind, die so groß sind, dass aus ihnen – sei es auch mit einiger Mühe – der Inhalt hinausbefördert werden kann, ohne dabei ein Schloss aufzubrechen (vgl. OLG Karlsruhe r+s 2014, 505).

Ausreichend ist demnach ein Schloss einfacher Konstruktion (vgl. Martin H III Rn. 39).

Als Abgrenzung zur Definition von verschlossenen Tresoren finden sich auch Beschreibungen in denen ein Tresor als „nicht verschlossen“ gilt. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn:

  • Der Schlüssel steckt (vgl. BGH VersR 1972, 577)
  • innerhalb des Versicherungsorts an einem anderen Möbelstück gleicher Fabrikation ein für beide Möbelstücke passender Schlüssel steckt (vgl. AG Recklinghausen VersR 1974, 25),
  • der Schlüssel in demselben Zimmer oder in einem anderen Zimmer derselben Wohnung liegt und leicht zu finden ist (BGH VersR 1972, 577),
  • der Schlüssel in einem benachbarten, nicht verschließbaren Schubfach derselben Schrankwand unter Papieren versteckt ist (OLG Hamm r+s 1984, 148),
  • der Schlüssel in einer Schatulle oder Blumenvase auf demselben Schrank liegt, für den er passt (Martin H III Rn. 40)

Ebenfalls gilt liegt kein Verschluss vor, wenn der Schlüssel leicht auffindbar und zuordnen bar in der Nähe des Tresores befindet (vgl. Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz: VVG 30. Auflage 2018 Rn. 6).

Kritik bzw. Auswirkungen auf die Praxis

In der Praxis bedeutet das für viele Versicherer, dass diese nach Möglichkeit sicherstellen, dass der VN den Schlüssel gut versteckt. Doch was ist tatsächlich ein gutes Versteck? Vermutlich sind es die unscheinbaren Verstecke, die es dem Täter erschweren, den jeweiligen Schlüssel ausfindig zu machen. In Idealfall sollte der VR dementsprechend seine MA schulen, sodass diese bewusst auf dich Wichtigkeit eines „ordentlich versteckten“ Schlüssels hinweisen und Tipps geben, wo man den Schlüssel sinnvollerweise aufbewahren kann. Im Idealfall führt der VN den Schlüssel mit sich, auch wenn der VR dies nicht zwingend verlangen kann.

2 Gedanken zu „Tresorklausel: „verschlossen“ = „verschlossen“ ? (Anm. zu OLG Koblenz r + s 2013, 499)“

  1. Danke für diesen interessanten Artikel zum Thema Versicherungsschutz beim verschlossenen Tresor. In unserer Mietwohnung ist nämlich auch ein Tresor in die Wand eingelassen. Wir fragen uns nun, inwieweit im Versicherungsrecht geregelt ist, ob Wertsachen dort drin als besser geschützt gelten.

    Antworten
  2. Auch ich bedanke mich für diese Informationen und diesen Beitrag. Unser Fall ist ähnlich wie von dem vorherigen Kommentator auch, nur wir haben den Tresor selber gekauft. Aus unseren Versicherungsunterlagen konnte ich nicht direkt lese, wie die Sachen im Tresor genau versichert sind.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar