Anspruch aus einer Elementarschadenversicherung ?

Aufgrund der höheren Versicherungsdichte der Elementarschadenversicherung zum einen und den stark zunehmenden Risiko für Überschwemmungs- und Rückstauereignisse insb. aufgrund Starkregen zum anderen, steht dieser Versicherungszweig im Fokus. Dabei bietet er eine Reihe von interessanten Rechtsfragen auch zu den anderen versicherten Gefahr. Handelt es sich z.B. bei dem nachfolgenden Video um einen „Schneedruckschaden„?

https://www.youtube.com/watch?v=T444dQN_49A

Nach der üblichen Definition (z.B. § 7 BWE 2008; B § 9 Nr. 4 a VSG 2008; C § 8 Nr. 4 a) VSG 2008; A § 11 Nr. 1 und 2 ECB 2008; A § 12 Nr. 1 und 2 ECBUB 2008) heißt es:

§ 6 Schneedruck

Schneedruck ist die Wirkung des Gewichtes von Schnee- oder Eismassen.

Ist der in dem Video so anschaulich wiedergegebene Sachverhalt versichert

1 .  Rechtsfrage:  Meerwasser = „Schnee“ ?
Schäden durch Schneedruck entstehen in aller Regel an Gebäudedächern bzw. an Gegenständen, die an der Außenseite von Gebäuden angebracht sind oder infolge dieser Schäden. Besonderer Gefährdung durch Schneedruck sind Flachdächer und gering geneigte Dächer ausgesetzt.

Versichert sind nach der Definition sowohl Schneedruck als auch Eisdruck. Dass hier das Meerwasser sich in Eis verwandelte könnte auf erste Sicht für den VN unschädlich sein, sieht man doch auf dem Video „Eismassen„. Allerdings: Versicherte Gefahr ist der Schneedruck und für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist wohl erkennbar, dass mit Eismassen die Konstellation gemeint ist, dass der Schnee im Laufe der Zeit vereist. Allerdings läßt sich hier , und deswegen macht Jura auch so große Freude, mit entsprechender Argumentation auch das Gegenteil vertreten.

2. Rechtsfrage: „Schneedruck

Das gefrorene Meerwasser drückt am Ende des Video ganze Häuser. Das ist doch ein „Druck“ iSd der Versicherungsbedingungen. Oder doch nicht ? Der Jurist denkt hier natürlich an die Entscheidung des LG Meiningen r+s 2009, 69. Im dortigen Falle begehrt der VN vom Versicherer für seinen Dachschaden 4.079,21 €. Auf dem Dach des Wohnhauses habe sich durch starke Schneefälle eine erhebliche Menge Schnees angesammelt. Witterungseinflüsse hätten dazu geführt, daß sich dieser Schnee zum Teil in Eis umgewandelt habe. Diese Masse sei in Bewegung geraten und habe durch die Einwirkung ihres eigenen Gewichtes die Regenrinne und die unterhalb des Daches errichtete und mit dem Gebäude fest verbundene Pergola schwer beschädigt.
Der VN meint, § 7 BEW 2001 sei dahin auszulegen, daß sich Schneedruck auch dergestalt auswirken kann, daß sich auf dem Dach befindliche Eis- und Schneeschichten durch den Druck lösen und vom Dach stürzen können, wie es vorliegend der Fall gewesen sei. Auch eine Dachlawine könne das Ergebnis von Schneedruck sein, nämlich das Ergebnis des Einwirkens des Gewichtes von Schnee und Eis auf das Gebäude. In diesem Falle führe dieses Einwirken des Gewichtes physikalisch zum Abrutschen der auf dem Dach befindlichen Eis- und Schneemassen und damit seien auch daraus resultierende Schäden vom versicherten Risiko umfaßt.

Das LG Meiningen a.a.O. verneint jedoch einen Schneedruckschaden:

Bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist Schneedruck allein die Belastung eines Körpers, durch den auf ihm ruhenden Schnee. Dementsprechend ist Schneedruck nach § 7 BEW 2001 definiert als die „Wirkung des Gewichts von Schnee- und Eismassen“.

Mit dem Begriff des Drucks verbindet sich bereits umgangssprachlich die Vorstellung der Ausübung einer mehr oder weniger stetigen Kraft durch einen ruhenden Gegenstand bzw. eine ruhende Masse auf eine Fläche. Hiervon zu unterscheiden ist die Entfaltung von Energie durch eine sich in Bewegung befindliche Masse.

Schäden, die durch die kinetische Energie einer sich in Bewegung befindlichen Schnee- und Eismasse verursacht werden, fallen nicht unter den Versicherungsschutz.

Sie werden nicht durch die Wirkung des Gewichts des Schnees oder des Eises auf eine Fläche hervorgerufen. Sogenannte Dachlawinen gehören nicht zu den versicherten Elementarereignissen.

Dieser Ausschluss folgt aus dem versicherungsrechtlichen Aspekt der Risikobegrenzung unter dem bestimmte Risiken aus unterschiedlichen Gründen nicht abgedeckt werden. Dies kann geschehen wegen ihrer Unüberschaubarkeit und Unberechenbarkeit, die eine vernünftige, wirtschaftliche Prämienkalkulation stark erschweren oder unmöglich machen würde und sich mit dem Bestreben nicht vereinbaren ließe, die Beiträge möglichst niedrig und damit für die Masse der in Betracht kommenden Versicherten akzeptabel zu gestalten, wegen der Außergewöhnlichkeit der schadensstiftenden Umstände oder wegen der Vermeidbarkeit des betreffenden Risikos.

Im Bewegung befindliche Schneemassen können wegen der ihnen innewohnenden kinetischen Energie Kräfte entfalten, die ihre in ruhendem Zustand vorhandene potentielle Energie weit übertreffen und dementsprechend schwere Schäden an Gebäudeteilen verursachen.

Andererseits sind solche Schäden durch bauliche Vorkehrungen wie Schneefanggitter oder sogenannte Schneestopper und hinsichtlich der Dachrinnen durch sogenannte Übereisen ohne unzumutbare Aufwendungen vermeidbar.

Demgegenüber kann sich der Gebäudeeigentümer gegen ungewöhnlichen Schneedruck aufgrund außergewöhnlicher, d.h. nur ganz selten auftretender Schneelasten nur mit unwirtschaftlichen Aufwendungen bei der statischen Auslegung der Dachkonstruktion schützen.

Der letztgenannte Gesichtspunkt sowie das Bedürfnis nach Vermeidung von Abgrenzungs- und Beweisschwierigkeiten lassen es als geboten erscheinen, nicht nur Dachlawinen als von der Elementarschadensversicherung ausgeschlossen anzusehen, sondern jegliche Schäden, die dadurch entstehen, dass der gefallene Schnee auf seiner Unterlage in Bewegung geraten ist, unabhängig davon, ob es sich um ein Gleiten, Rutschen oder Stürzen handelt, und ob die Bewegung für einen Beobachter überhaupt bemerkbar war.

Da vorliegend die vom Kläger geltend gemachten Schäden nicht durch die potentielle Energie des auf dem Dach ruhenden Schnees (Lageenergie) verursacht wurden, sondern durch die den vom Dach herabrutschenden Eis- und Schneemassen innewohnende kinetische Energie (Bewegungsenergie) besteht kein Versicherungsschutz.

Überzeugt Sie die Auffassung des LG Meiningen ?

weiterführende Literatur:

Günther, Elementarschadenversicherung, in Münchner Kommentar zum VVG, 2. Aufl. 2016, Rz. 3, Band 3, Rz. 81 ff. m.w.N.

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