Vertrauen und Gerechtigkeit

Gerechtigkeit_blauVersicherung ist ein immaterielles Gut. Für den Kunden ist sie abstrakt. Er kann das Produkt Versicherung nicht tatsächlich greifen (vgl. Müller-Peters, 2014, Präsentation: Das Image der Versicherungswirtschaft, S. 2).

Kern des Produktes ist das vom Versicherer gegebene Leistungsversprechen. Doch diese Leistung ist wenig „erlebbar“ und die Kontaktintensität ist gering. Daher dominieren so genannte „Vertrauenseigenschaften“ gegenüber „Such-“ und „Erfahrungseigenschaften“ (vgl. Zeithaml, 1981, How Consumer Evaluation Processes Differ between Goods and Services, in: Donnelly/George, 1981, Marketing of Services, S. 186-190). Häufig werden dabei konservative Entscheidungen getroffen (große Marken, bekannte Produkte, vertraute Vertriebswege). Persönliche Kontakte spielen eine besondere Rolle. Das Preisbewusstsein ist allerdings eher gering (vgl. Müller-Peters/Quinke, 2000, Imagemessung und Imagepositionierung für Versicherer, in: Wagner, 2000, Aktuelle Fragen der Versicherungswirtschaft, S. 113-133). Einen Überblick über das unterschiedliche Kundenverhalten und die unterschiedlichen Kundentypen finden Sie in unserer Rubrik Entscheidungsfindung.

Allgemein ist daher sowohl der Wert Vertrauen als auch der damit in Verbindung stehende Wert Gerechtigkeit für Kunden sehr groß. Ein hohes Maß an Kundenvertrauen kann beispielsweise die Zufriedenheit und die Bindung der Kunden steigern (vgl. Yougov, 2013, Wertestudie 2013, S. 4-5).

Das Thema Vertrauen

Um den Wert Vertrauen bei Kunden langfristig zu stärken, versuchen Versicherer zunehmend, ihre Produkte transparenter zu gestalten und ihre Service- und Beratungsqualitäten zielgruppenspezifisch zu verbessern (vgl. Finanzpraxis, Magazin Finanzpraxis 2011).

Maßnahmen für ein strukturiertes Vertrauensmarketing (vgl. Müller-Peters, 2014 Präsentation: Das Image der Versicherungswirtschaft, S. 8) können insbesondere sein:

  1. Die richtigen Themen besetzen
    1. Sicherheit, Absicherung, Verantwortung
    2. Preis bzw. Rendite
  2. Die Marke stärken
    1. Bedeutung der Marke steigt
    2. Aufladung der Marken muss sich anpassen: Vertrauen von Lifestyle (Bekanntheit, Nähe, …)
  3. Produkte ausrichten
    1. Einfache und „ehrliche“ Produkte
    2. Unterstützung in der Bewältigung der persönlichen Krise
  4. Den Kontakt in Service und Vertrieb nutzen
    1. erlebbar: nah, schnell, zuverlässig, transparent, persönlich
    2. Beziehung statt Transaktion, Kunden- statt Produktperspektive
  5. Das Kaufrisiko reduzieren
    1. B. Tests, Rankings, Ratings
    2. B. Garantien (Wandlung, Bedenkzeit, Geld zurück, …)
    3. B. Empfehlung durch Arbeitgeber oder Testimonials

Das Thema Gerechtigkeit

Vertrauen wird dann eingelöst, wenn Kunden sich gerecht behandelt fühlen. Die Herstellung von Gerechtigkeit zählt zu den ältesten Motivationen des Menschen.

Um Gerechtigkeit zu verstehen, reicht es allerdings nicht, festzustellen, Gerechtigkeit sei wichtig, und Ungerechtigkeit zu verhindern, da die Vorstellung von Gerechtigkeit in höchstem Maße subjektiv geprägt ist. Es muss unterschieden werden, welche Gerechtigkeitsmodelle Menschen im jeweiligen Kontext verfolgen und unter welchen Bedingungen sie ein bestimmtes Bedürfnis nach Gerechtigkeit haben (vgl. Liebig, 2010, Warum ist Gerechtigkeit wichtig?, S. 10).

Es lassen sich bereits seit Aristoteles grundsätzlich zwei verschiedene Formen der Gerechtigkeit unterscheiden (vgl. Fetchenhauer, 2010, Fairness oder Effizienz?, S. 12).

Distributive Gerechtigkeit, Prozedurale Gerichtigkeit

Zu diesen Themen zählt beispielsweise die Diskussion um Unisex-Tarife, die durch die Gleichstellung der Geschlechter und die damit einhergehende Mischkalkulation der Prämien zwangsläufig zu teureren Versicherungspolicen für ein Geschlecht geführt haben. Aber auch das Thema Bürgerversicherung im Bereich der Krankenversicherung, die Idee der Abschaffung des dualen Krankensystems aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung oder die Einführung von verhaltensabhängigen, telematikbasierten Tarifen in der Krankenversicherung kann aus Gerechtigkeitsperspektiven eingehend diskutiert werden (vgl. Hennecke, 2014, Präsentation: Formen der subjektiven Gerechtigkeit, S. 16).

Für Versicherungen ergibt sich, insbesondere zum Beispiel im Bereich des Produktmanagements, die Möglichkeit, bei der Ausgestaltung von Versicherungstarifen die gerechtliche Erwartungshaltung des Kunden zu berücksichtigen und somit das Vertrauensverhältnis weiter zu stärken und auszubauen.

Weiterführende Literatur:

  • Puhlmann, Axel: Vertrauen kann man nicht kaufen – Aber gezielt aufbauen, in: Planung&Analyse: Zeitschrift für Marktforschung und Marketing, 2013, 4, S. 45-45.
  • Skorna, Alexander C. H.: Vertrauensbildung zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer über Präventionslösungen, in: Macht des Vertrauens: Perspektiven und aktuelle Herausforderungen im unternehmerischen Kontext, 2013, S. 245-266.
  • Wilke, Claus: Branchenvertrauen – Konzeptualisierung und Operationalisierung eines metakognitiven Konstrukts, Dortmund: Universität Dortmund, 2005.
  • Kunz, Anne: Eine Branche auf der Suche nach Vertrauen, in: welt.de, http://www.welt.de/finanzen/verbraucher/article121238737/Eine-Branche-auf-der-Suche-nach-Vertrauen.html, Zugriff am 06.05.2015.

Zum Thema Gerechtigkeit

  • Fetchenhauer, D.: Psychologie, 1. Auflage, München: Verlag Franz Vahlen, 2011.
  • Gollwitzer, Mario: Soziale Gerechtigkeit – Was unsere Gesellschaft aus den Erkenntnissen der Gerechtigkeitspsychologie lernen kann, 1. Auflage, Göttingen: Hogrefe Verlag, 2013.
  • Kahneman, D.: Schnelles Denken, langsames Denken, 1. Auflage, München: Siedler Verlag, 2012.
  • Schlinke, Harald: Soziale Gerechtigkeit und Versicherung – Eine Beurteilung des Versicherungswesens nach den Theorien sozialer Gerechtigkeit von John Rawls, Ronald Dworkin, Winfried Hinsch und Robert Nozick, Düsseldorf: Heinrich Heine Universität Düsseldorf, 2014 (zugl. Dissertation Heinrich Heine Universität Düsseldorf, 2014).
  • Schmeiser, Hato; Störmer, Tina; Wagner, Jöel: Unisex – Ungleiches Risiko, gleicher Preis, in: Schweizer Versicherung, Heft 3/2012, S. 8-13.
  • Huster, Stefan (2006): Grundversorgung und soziale Gerechtigkeit im Gesundheitswesen, Forschung an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, http://bbaw.opus.kobv.de/volltexte/2009/1127/pdf/VIII_04_Huster.pdf.
  • Braun, Bernard / Marstedt, Gerd (2011): Vertrauen und Gerechtigkeit – (wie) beeinflussen sie Einstellungen und Verhaltensweisen im Gesundheitswesen?, Gesundheitsmonitor – Ein Newsletter der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK, 1/2011, http://gesundheitsmonitor.de/uploads/tx_itaoarticles/201111_NL_Beitrag.pdf

Quellen

Müller-Peters, 2014 Köln, Präsentation: Das Image der Versicherungswirtschaft, S. 2.

Müller-Peters, 2015 Köln, Präsentation: Kundenverhalten und Kundentypen, S. 3.

Yougov, 2013 Köln, Wertestudie 2013, S. 4-5.

Finanzpraxis, Magazin Finanzpraxis 2011.

Müller-Peters, 2014 Köln, Präsentation: Das Image der Versicherungswirtschaft, S. 8.

Liebig, 2010 München, Warum ist Gerechtigkeit wichtig?, S. 10.

Fetchenhauer, 2010 München, Fairness oder Effizienz?, S. 12.

Hennecke, 2014 Köln, Präsentation: Formen der subjektiven Gerechtigkeit, S. 16.

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