OLG Hamm (20. Zivilsenat), Hinweisbeschluss vom 15.01.2020 – 20 U 198/19
Sommerzeit ist Urlaubszeit! Angesichts der Entwicklung von COVID-19 fahren viele Menschen vermehrt mit dem Auto in den Urlaub. Dabei sind nicht nur Kurztrips gefragt, sondern auch Trips mit einer Länge von tausenden Kilometern. Hierbei kommt es auf die Wahl des richtigen Versicherungsschutzes an, damit der Urlaub nicht zur Kostenfalle wird.
Auf die Frage, inwieweit der Kfz-Kaskoversicherer seiner Beratungspflicht bei Aushändigung einer grünen Versicherungskarte für die Kfz-Haftpflichtversicherung nachkommt, geht dieser Beitrag ein.
Kaskoschutz nur für den Geltungsbereich der EU
Im Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 15.01.2020 – I-20 U 198/19 geht es um eine deutsche Versicherungsnehmerin mit einem augenscheinlich türkischen Nachnamen, die mit ihrem Auto im asiatischen Teil der Türkei Urlaub gemacht hat. Hierbei kam es zu einem Kaskoschaden (knapp 9.300 EUR), dessen Regulierung der beklagte Versicherer mit der Begründung ablehnt, aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 1 S. 1 VVG ergäbe sich keine Anspruchsgrundlage. Im Versicherungsvertrag ist in den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung A.2.4 festgelegt, dass der Versicherungsschutz für die Kaskoversicherung in geographischer Hinsicht wirksam auf Europa und die zum Geltungsbereich der Europäischen Union gehörenden Gebiete beschränkt ist. Der asiatische Teil der Türkei liegt außerhalb des bezeichneten Gebiets.
Die Bedeutung des Länderkürzels auf der grünen Versicherungskarte
Wenn auf der grünen Versicherungskarte das Länderkürzel „TR“ nicht gestrichen ist, kommt es zu keiner individualvertraglichen Erweiterung des Versicherungsschutzes. Die grüne Versicherungskarte betrifft unmittelbar nur den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung. Auf der grünen Versicherungskarte steht der ausdrückliche Hinweis, dass sich die Kaskoversicherung auf Europa und die außerhalb Europas liegenden Gebiete der Europäischen Union erstreckt. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer hier ein Angebot auf eine räumliche Erweiterung des Versicherungsschutzes sieht. Im vorliegenden Fall liegt der Gedanke eines Missverständnisses nicht fern, bezogen auf das Durchstreichen des Länderkürzels und dessen Bedeutungsinhalt für die Kfz-Haftpflicht- und Kaskoversicherung. In der Praxis versteht der durchschnittliche Versicherungsnehmer diese versicherungsrechtlichen Inhalte nicht immer in Gänze.
Ein ausländischer Nachname ist noch kein Beratungsanlass
Die Versicherungsnehmerin beanstandete, dass der Versicherer sie nicht aufgrund ihres Namens über die besonderen Gegebenheiten der Türkei aufgeklärt hat. Bei Vertragsschlusses muss sich der Versicherer jedoch keine Gedanken zum Auslandsversicherungsschutz aufgrund des Nachnamens des Versicherungsnehmers machen. Auch während der Vertragslaufzeit, insbesondere zum Zeitpunkt der Beantragung der grünen Versicherungskarte seitens der Klägerin und deren anschließender Zusendung durch den Versicherer, ergibt sich keine Pflichtverletzung gemäß § 6 Abs. 4 VVG. Für den Versicherer müssen Umstände erkennbar sein, aus denen sich ein entsprechender Beratungsbedarf des Versicherungsnehmers ergibt. Die Klägerin hat den Versicherer bei Beantragung der grünen Versicherungskarte nicht ausdrücklich auf die geplante Türkeireise hingewiesen. Der Sachverhalt ist daher nicht mit dem BGH-Urteil vom 13.04.2005 (IV ZR 86/04, VersR 2005, 824) vergleichbar – hier hatte der Versicherungsnehmer den Versicherer bei Anforderung der grünen Versicherungskarte über das Reisevorhaben in die Türkei informiert.
Hinweis auf der grünen Versicherungskarte ernst nehmen
Mithin ist eine Verletzung der Beratungspflicht des Versicherers aus § 6 Abs. 4 VVG vorliegend nur deshalb denkbar, weil der Versicherer eine grüne Versicherungskarte ausstellte, in der das Länderkürzel „TR“ für die Türkei nicht gestrichen war. Dadurch kann bei einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne eine entsprechende Klarstellung die Fehlvorstellung entstehen, er genieße auch für die Kaskoversicherung Versicherungsschutz im gesamten Gebiet der Türkei (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 29.09.1999 – 2 U 157/99, NVersZ 2000, 388). Indes hat der Versicherer eine Klarstellung vorgenommen. Das LG hat völlig zutreffend darauf abgestellt, dass sich auf der von der Klägerin selbst vorgelegten grünen Versicherungskarte der ausdrückliche Hinweis befand, dass es für den Bereich der Kaskoversicherung bei der räumlichen Beschränkung auf das Gebiet von Europa und der außereuropäischen Gebiete der Europäischen Union verbleibe. Damit wurde eine entsprechende Belehrung hier, anders als im vom OLG Oldenburg entschiedenen Fall, erteilt.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer mag sich vielleicht wünschen, dass, zum Beispiel im Produktinformationsblatt, die Thematik der grünen Versicherungskarte noch verbraucherfreundlicher aufbereitet wird.
Urlaubszeit – da will man nicht Probleme mit der Versicherung haben!
Sehr guter Artikel, sehr schön zu lesen. Danke!
Guter Beitrag!