Alkoholisiertes Fahren in der Kaskoversicherung – bei 0,49 Promille nicht unbedingt ein Problem

Das OLG Brandenburg hat in seinem Urteil vom 08.01.2020 – 11 U 187/18 entschieden, dass sich ein Versicherer auch bei einem alkoholisierten Fahrer nicht immer auf Leistungsfreiheit gem. §81 VVG berufen kann.

Der Fall

Der Kläger war zwischen 10.00 und 11.00 Uhr auf einer Straße unterwegs, die an einem Waldgebiet entlangführte. Plötzlich tauchte eine Wildschweinrotte auf. Der Fahrer versuchte, den Tieren auszuweichen. Mit Erfolg – eine Kollision blieb aus, doch er kam von der Fahrbahn ab. Im folgenden Unfallgeschehen prallte er gegen einen Baum. Das Auto erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden, die Insassen blieben augenscheinlich unverletzt.

Im Normallfall ist solch ein Schaden über die Vollkaskoversicherung abgesichert. Interessant an dieser Geschichte ist jedoch, dass der Fahrer zum Tatzeitpunkt alkoholisiert war. Nachdem der Fahrer die Polizei verständigte und einen Unfallbericht abgab, wurde ca. 75 Minuten nach dem Unfall die Blutalkoholkonzentration bei einer ärztlichen Untersuchung festgestellt. Diese ergab einen Promillewert von 0,49‰.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG Brandenburg stellte zunächst fest, dass die Voraussetzungen für einen Leistungsfall in der Vollkaskoversicherung vorlagen. Das OLG Brandenburg grenzt ziemlich deutlich ab, wo die Unterschiede zwischen „relativer Fahruntüchtigkeit“ und „absoluter Fahruntüchtigkeit“ liegen. Die „relative Fahruntüchtigkeit“ liegt zwischen 0,3‰ bis unter 1,1‰. Besonders wichtig ist, dass bei relativer Fahruntüchtigkeit nicht ohne Weiteres auf grobe Fahrlässigkeit geschlossen werden kann – vielmehr sind weitere Anzeichen für eine Fahruntüchtigkeit durch typisch alkoholbedingte Fahrfehler erforderlich. Das Vorliegen von alkoholtypischen Fahrfehlern muss der Versicherer beweisen. Dem Versicherer kommen dabei keinerlei Beweiserleichterungen zugute (vgl. Stiefel/Maier/Halbach, 19. Aufl. 2017, AKB 2015, Rn. 959-966).

Das OLG Brandenburg betont, dass selbst, wenn der Versicherer beweisen könnte, dass eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit vorliegt, dies nicht unbedingt zur Annahme grob fahrlässigen Verhaltens ausreicht. Sollte der Kläger also nachweisen können, dass eine plausible andere Erklärung existiert, weshalb er von der Fahrbahn abkam, ohne dass der Alkohol daran schuld sei, würde dies aus seiner Sicht ausreichen. Da im vorliegenden Fall der Bluttest einen Wert von 0,49‰ betrug und keine alkoholbedingten Auffälligkeiten festgestellt wurden (geordneter Denkablauf, körperliche Koordination einwandfrei, etc.), ging das Gericht davon aus, dass keine alkoholbedingten Fahrfehler vorlagen.

Das OLG Brandenburg betonte, dass der Grund für das Abkommen von der Straße plausibel sei und offensichtlich eine Wildschweinrotte für das Unfallgeschehen ursächlich war und eben nicht der Alkoholkonsum.

Kritische Würdigung

Das Urteil des OLG Brandenburg zeigt, wie wichtig es aus Sicht des Versicherers ist, alkoholbedingte Fahrfehler nachweisen zu können. Im vorliegenden Fall hätte man durchaus von einem alkoholbedingten Fahrfehler ausgehen können. So wie es bei der Entscheidung des OLG Naumburg, im Urteil vom 16.09.2004 – 4 U 38/04 der Fall war. Auch wenn in diesem Fall die Blutalkoholkonzentration wesentlich höher lag als im Fall des OLG Brandenburg, behauptete auch hier der Fahrer, dass der Unfall nicht aufgrund eines Fahrfehlers, verursacht durch  Alkoholkonsum, geschehen sei. Anders als das OLG Brandenburg entschied das OLG Naumburg, dass der alkoholisierte Fahrer den Versicherungsfall gem. § 81 VVG grob fahrlässig herbeigeführt hat. Dabei betont es, dass bestimmte Fahrfehler auch einem Nüchternen unterlaufen können, diese allgemeine Möglichkeit jedoch nicht ausreicht, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Es erwähnt im Abschluss explizit, dass es nicht relevant ist, ob der Unfall auch einem nüchternen Fahrer hätte passieren können, sondern ob ein nüchterner Fahrer die Situation besser hätte meistern können. Dies ist analog auf den Fall des OLG Brandenburg anzuwenden. Auch ein nüchterner Fahrer wäre eventuell einem Tier reflexartig ausgewichen, hätte das Auto jedoch eher unter Kontrolle bringen können, um das Aufprallen gegen einen Baum zu vermeiden.

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