Vom Winde verweht: Wann wird ein Baum „geworfen“ ?

Vom Winde verweht: Bei welchen Sturmschäden zahlt die Versicherung?

Sturmtiefs Kyrill, Xaver, Friedrike und Co. – zurück bleiben nach solchen Unwetterereignissen meist umgestürzte Bäume, abgebrochene Äste auf Straßen und Schienen, sowie abgedeckte Dächer.  Wann zahlt die Versicherung bei Sturmschäden? Dies ist, wie ein Fall des OLG Hamm zeigt, nicht immer ganz einfach zu beantworten

Das OLG Hamm behandelt in seiner Entscheidung vom 25.09.2017 (6 U 191/15) die Frage, ob zwischen dem Sturmereignis an sich und dem Schadeneintritt ein Unmittelbarkeitserfordernis gegeben sein muss, wie es – als Einschränkung der adäquaten Kausalität – üblicherweise in den AVB vereinbart ist.

1.  Dem vom OLG Hamm zu gegenständlichen Versicherungsvertrag lagen die Musterbedingungen in Form der VGB 88 zu Grunde. § 8 Nr. VGB 88 regelt:

§ 8 Sturm, Hagel

1. Sturm ist eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8.

2. Versichert sind nur Schäden, die entstehen

a) durch unmittelbare Einwirkung des Sturms auf versicherte Sachen,

b) dadurch, dass der Sturm Gebäudeteile, Bäume oder andere Gegenstände auf versicherte Sachen wirft,

c) als Folge eines Sturmschadens gemäß a) oder b) an versicherten Sachen“

2. Am 28.02.2010 herrschte auf und im Bereich des versicherten Grundstücks unstreitig Wind mit einer Stärke von 8 Beauforts. Am 06.03.2010, also sechs Tage später, stürzte ein Baum, der auf dem Nachbargrundstück stand, auf das versicherte Gebäude. Der Kläger begeht von der beklagten Versicherung Leistungen aus seiner Gebäudesturmversicherung in Höhe von 34.818,68 EUR. Die Beklagte lehnte ihre Eintrittspflicht ab, da die am klägerischen Gebäude entstandenen Schäden nicht durch eine unmittelbare Einwirkung des Sturms vom 28.02.2010 eingetreten seien. Der Baum sei hier nicht unmittelbar durch den Sturm auf das versicherte Gebäude geworfen worden, vielmehr seien zwischen dem Sturm am 28.02.2010 und dem Umfallen des Baumes am 06.03.2010 immerhin sechs Tage vergangen. Es sei daher kein Schaden infolge des Sturmschadens eingetreten.

3. Das OLG Hamm bejaht einen Versicherungsfall nicht nach § 8 Nr. 2 a) VGB 88, jedoch nach § 8 Nr. 2 b) VGB 88.

Unstreitig habe einige Tage vor dem Schadenereignis am 28.02.2010 ein versicherungsrechtlicher Sturmschaden vorgelegen. Durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens sei erstinstanzlich bewiesen worden, dass der Sturm den später umgestürzten Baum auch entwurzelt habe. Dies habe letztlich dazu geführt, dass der Baum auf das Haus des Klägers fiel. Dass dies nicht zeitlich unmittelbar nach dem Sturm geschah, ändere nichts daran, dass der Baum ursächlich durch den Sturm auf das Dach des Hauses geworfen worden sei.

Die Bedingungen seien so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei komme es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Speziaenntnisse und damit (auch) auf seine Interessen an. Entscheiden ist in erster Linie der Wortlaut der Bedingungen. Es sei davon auszugehen, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Regelung in § 8 Nr. 2 b) VGB 88 dahin verstehe, dass jedenfalls dann, wenn ein Sturm die maßgebliche Ursache dafür gesetzt hat, dass Gebäudeteile, Bäume oder andre Gegenstände auf eine versicherte Sache fallen und einen Schaden verursachen, ein versicherter Sturmschaden vorliegt. Nicht entscheidend ist, ob die Gegenstände zeitlich unmittelbar durch den Sturm auf das versicherte Gebäude geworfen werden, wenn wie im vorliegenden Fall zwischen dem Ereignis „Sturm“ und dem Erfolg „auf das Gebäude geworfen werden“ keine weitere Ursache tritt.

4.  Der Begründung des OLG Hamms ist in einem Punkt  zuzustimmen.

Das Wort „unmittelbar“ ist in § 8 Nr. 2 b) VGB gerade nicht aufgeführt, während es in § 8 Nr. 2 a) VGB 88 explizit erwähnt wird. Daraus lässt sich schließen, dass Nr. 2 b) VGB 88 keine Unmittelbarkeit voraussetzt.

5.   Allerdings befasst sich das OLG lediglich mit der Frage der „zeitlich letzten Ursache“ und macht hinsichtlich des Begriffs „werfen“ keine Ausführungen. Evtl. wurde dies von keiner Partei angesprochen und weder im Urteil des LG Dortmund noch in der Entscheidung des OLG Hamm finden  sich hierzu Ausführungen, obwohl dies angezeigt war:

Als „werfen“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch „etwas durch die Luft fliegen lassen“ verstanden. Der Baum wurde hier gerade nicht durch einen Sturm auf das versicherte Gebäude „geworfen“ sondern kippte erst sechs Tage später um. Ob ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer unter „werfen“ auch eine gewisse Plötzlichkeit erwarten oder einen zeitlich unverzögerten Ablauf verstehen muss, bleibt offen. Stützt man sich auf den allgemeinen Sprachgebrauch, setzt ein „durch die Luft fliegen lassen“ zumindest indirekt einen unmittelbaren Zusammenhang voraus.

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