G20-Gipfel und Versicherungsschutz – der Ausschluß „innere Unruhen“

Angesichts der Gewaltexzesse schwarz Vermummter Gestalten bleibt man fassungslos zurück. Als Jurist geht man sine ire et studio an die Sache heran und stellt sich die Frage, greift der Ausschluß für „innere Unruhen„, wie er in allen Sachversicherungsverträgen enthalten ist ? 

https://www.youtube.com/watch?v=z5TZV0sE2HU&sns=em

1.   Der Sachverhalt dürfte bekannt sein, vgl. nur die diversen YouTube-Beiträge von denen der nachfolgende recht anschaulich ist.

Diese Straftäter ging zum Teil arbeitsteilig vor, der erst wirft mit einem Plasterstein eine Autoscheibe ein, der zweite wirft einen Bengalo rein, der Dritte schüttet noch Brandbeschleuniger hinterher.

In den AKB 2016 heißt es:

„Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden, die durch Erdbeben, Kriegsereignisse, innere Unruhen oder Maßnahmen der Staatsgewalt unmittelbar oder mittelbar verursacht werden“.

Ähnliches gilt für die Gebäudefeuerversicherung. Bereit die AFB aus dem Jahre 1930  enthielten folgenden Ausschluß (§ 1 Abs. 7 AFB , Fassung in der Veröffentlichung des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung von 1930):

„Im Falle von inneren Unruhen oder Kriegsereignissen jeder Art haftet die Gesellschaft nur, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass der Schaden mit diesen Ereignissen weder unmittelbar noch mittelbar im Zusammenhang steht.“2

2. Ich will keine juristische Lösung für die aktuellen Fälle anbieten, jedoch eine Entscheidung des Reichsgerichtes vom 8. Juni 1923 (RGZ 108, 188) vorstellen, die im Grundsatz nach wie vor ihre Gültigkeit haben dürfte (zumal – bislang – die Rechtsprechung auf deutschen Gebiet sich mit diesem Ausschluß eher selten zu befassen hatte).

Der vom RG zu beurteilende Fall spielte nicht in Deutschland, sondern in Porto Allegre in Brasilien. Nach der Versenkung eines brasilianischen Handelsschiffes am 16.04.1917 (offenbar durch ein deutsches U-Boot)  gingen Volksmengen gegen die dort ansässigen Deutschen vor, indem sie deren Geschäftsgebäude demolierten und brandschatzten.

Das Reichsgericht definiert den Tatbestand der innere Unruhe bzw der „bürgerlichen Unruhe“ wie folg

„Teile des Volkes, die nicht als zahlenmäßig unerheblich zu gelten haben, in einer die öffentliche Ruhe und Ordnung störenden Weise in Bewegung geraten und Gewalttätigkeiten, sei es gegen Personen, sei es gegen Sachen verüben.“

Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, welchen Beweggründe den Gewalttätigkeiten zugrunde lag,  ob es sich gegen den Staat richtete oder nur gegenüber einzelnen Bürgern. Ebenso ist es unerheblich, ob ein einheitliches oder politisches Motiv der Beteiligten vorlag oder die Verwirklichung von Strafrechtstatbeständen, wie z.B. Landfriedensbruch, denn so RG a.a.O. :

„Denn in jedem Falle liegt dann die Gefahr nahe, daß durch die einzelne Gewalttätigkeit das Rechtsbewußtsein der Menschen im ganzen erschüttert und getrübt, ihre niederen Triebe entfesselt und Gewalttaten aller Art begangen werden.“

3.  Diese Rechtsprechung des RG hat der BGH fortgesetzt (VersR 1975, 126). In dem vom BGH zu beurteilenden Fall ging  es um eine Demonstration in Berlin gegen den Vietnam-Krieg am 09.05.1970. Dort kam es schweren Schäden, Schaufensterscheiben wurde eingeschlagen, Barrikaden errichtet usw. Der BGH bejahte den Ausschluss der inneren Unruhen und nahm dabei auf die Rechtsprechung des RG Bezug.

4. Weiterführende Literatur:

Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., F I 11 f.

Jannott/Glotzmann, Ersatzleistungen durch Versicherung und Staat für Schäden aus politischen Risiken, Festschrift Fritz Haus, 1978, S. 121 ff.

Boyan, Ersatzleistungen nach innerer Unruhe, VersR n1988, 162 ff.

Dimski, Wer haftet für Tumulschäden ?, VersR 199, 804 ff.

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