Ein Aufeinandertreffen zwischen einer Silvesterrakete und einem Carportdach zeigte sich nicht ohne Folgen. Das Amtsgericht Neumünster hat sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung durch den Absturz einer Silvesterrakete auf ein Carportdach bestehen.
- Sachverhalt des Urteils des AG Neumünster vom 25.09.2014 (36 C 338/14)
In der Silvesternacht 2013/2014 wurde das Carportdach der Klägerin beschädigt, indem eine Silvesterrakete durch das Dach stieß und ein Loch verursachte. Gemäß § 1 Nr. 1 a) VGB leistet der Versicherer für folgende Schäden:
Schäden durch Brand, Blitzschlag, Überspannung durch Blitz, Explosion, Implosion und Anprall oder Absturz eines Luftfahrzeuges/Flugkörpers, seiner Teile oder seiner Ladung durch Zerstörung oder Beschädigung
- Würdigung der Entscheidung
2.1. Vorüberlegungen
Bei näherer Betrachtung könnten als Anspruchsgrundlage eine Beschädigung des Carportdaches durch die in der Feuerversicherung u. a. aufgeführten versicherten Gefahren Brand, Explosion oder Anprall bzw. Absturz eines Luftfahrzeuges/Flugkörpers in Betracht kommen. Primär geht das entscheidende Gericht auf den möglichen Deckungsschutz durch Anprall bzw. Absturz eines Luftfahrzeuges/Flugkörpers ein, da die Klägerin lediglich Ansprüche aus dem Absturz einer Rakete, die durch das Carportdach gestoßen ist, geltend macht. Vollständigkeitshalber wäre es doch interessant auch die anderen möglichen Anspruchsgrundlagen durch Explosion und Brand zu prüfen.
2.2. Anprall, Absturz eines Luftfahrzeuges/Flugkörpers, seiner Teile oder seiner Ladung
Das AG Neumünster beginnt seine Ausführungen damit, dass es sich bei einer Silvesterrakete nicht um den Absturz eines Luftfahrzeuges/Flugkörpers nach § 1 VGB handeln kann und somit sich kein versichertes Risiko verwirklicht hat. Der Begriff Luftfahrzeug ist in der Rechtsnorm der Feuerversicherung innerhalb der VGB nicht definiert. Zur Definition lässt sich § 1 Abs. 2 LuftVG heranziehen. Hier werden u. a. auch Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliche Flugkörper als Luftfahrzeuge definiert, solange sie sich im Luftraum befinden.
Wie in den Ausführungen des AG Neumünster dargelegt, muss es sich bei versicherten Flugkörpern um solche mit einer bestimmten Flugbahn handeln, die sich üblicherweise auch längere Zeit in der Luft aufhalten können. Ansonsten kann von keinen „Absturz“ die Rede sein. Eine Silvesterrakete erfüllt diese Voraussetzung nicht (vgl. LG Saarbrücken, r+s 2007, 424; AG Neunkirchen, r+s 2007, 424).
Festzuhalten ist, dass bei einem Anprall eine körperliche Einwirkung des Flugobjektes erforderlich ist (vgl. Günther Sachvers. II Gefahrenlehre), jedoch muss der Absturz, wie vom AG Neumünster vorgetragen, unplanmäßig sein und erfordert, dass der tatsächliche Flugverlauf des Flugkörpers vom geplanten abweicht.
Zusätzlich erfüllt eine Silvesterrakete nicht den Begriff eines (unbemannten) Flugkörpers, da eine gewisse Größe erforderlich ist (vgl. LG Saarbrücken/AG Neunkirchen) und sich diese über eine nicht unerhebliche Dauer aus eigener Kraft in der Luft halten müsste. Zwar hat die Silvesterrakete einen eigenen Antrieb, jedoch ist dieser nur wenige Sekunden funktionsfähig. Zudem wird aufgeführt, dass Flugkörper ihrer Beschaffenheit und Funktionsweise nach in gewissem Maße mit Luftfahrzeugen vergleichbar sein müssen.
Abschließend wird aufgeführt, dass es sich bei den übrigen aufgelisteten Gefahren wie Brand, Explosion etc. – jeweils um „nicht beherrschbare Elementargewalten bzw. – ereignisse handelt. Eine Silvesterrakete ist dem nicht zuzuordnen.
Fazit: Ansprüche aus dem Risiko Anprall, Absturz eines Luftfahrzeuges/Flugkörpers, seiner Teile oder seiner Ladung sind laut Gericht nicht begründet.
2.3. Explosion
Nach A § 1 Nr. 1 c) AFB 2008 ist Explosion folgendermaßen definiert:
Explosion ist eine auf dem Ausdehnungsbestreben von Gasen oder Dämpfen beruhende, plötzlich verlaufende Kraftäußerung
In einer jüngeren Rechtsprechung des AG Neunkirchen (r+s 2007, 424) wurde dies bei Silvesterfeuerwerkskörpern damit als nicht zutreffend begründet, da bei Leuchtraketen und Pfeifern – im Gegensatz zu Knallkörpern – von einem eher gleichmäßigen und konstanten Geschehensablauf auszugehen ist. Es handelt sich nicht um eine plötzliche Kraftäußerung (vgl. AG Aachen vom 05.01.2000 – 4 C 404/00).
Fazit: Somit hat sich aus dem Risiko Explosion ebenfalls kein versichertes Ereignis laut des Gerichtes verwirklicht.
2.4. Brand
Nach A § 1 Nr. 2 AFB 2008 ist Brand folgendermaßen definiert:
Brand ist ein Feuer, das ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder ihn verlassen hat und das sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag
Ein Feuerwerkskörper stellt selbst keinen Brand dar, weil sich das Feuer in einem bestimmungsgemäßen Herd befindet. Zu einem Brand kommt es erst, wenn das Feuer seinen bestimmungsgemäßen Herd verlässt und auf andere Sachen übergeht, an denen es sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag (vgl. Anm. Wälder r+s 2007, 424).
Fazit: Auch aus dem versicherten Risiko Brand hätte sich kein versicherter Schaden verwirklicht.
- Kritische Stimmen der Literatur
3.1. Kritik an dem Urteil der Gerichte
Eine andere Meinung zu den Urteilsausführungen vertritt u. a. Wälder. Er kritisiert in seinen Ausführungen die Auslegung der Gerichte, dass ein Feuerwerkskörper, entgegen den übrigen versicherten Gefahren in der Feuerversicherung, nicht den „nicht beherrschbaren Elementargewalten“ zugeordnet werden kann. Er führt aus, dass sich die Feuerversicherung im Rahmen aller Gefahren als besonders nützlich erweist, wenn sich „nicht beherrschbare Elementargewalten“ entfalten. Zudem wird sie von Versicherungsnehmern in Anspruch genommen und von den Versicherern angeboten, wenn es sich um die gar nicht spektakulären, kleineren Schäden des Alltags geht. Versicherer haben die Möglichkeit die wenig gefährlichen und umfangreich ausgeprägten Fälle im Rahmen eines Selbstbehaltes auszuschließen (vgl. Anm. Wälder r+s 2007, 424). Zudem kritisiert er, dass die Gerichte neben den Tatbestandsmerkmal des Absturzes nicht das gleichwertige Tatbestandsmerkmal des Anpralls bedenkt. Das beim Anprall eine bestimmte oder bestimmbare Flugbahn des Flugkörpers eine Voraussetzung darstellt wäre nicht gegeben (vgl. Anm. Wälder r+s 2007, 424).
3.2. Feuerwerkskörper = Flugkörper
Entgegen der Ausführungen der Gerichte lässt sich durchaus die Auffassung vertreten, dass es sich bei Raketen um Flugkörper handelt. Demnach ist ein „Körper“ etwas was man sehen oder fühlen kann und etwas fliegt wenn es sich aus eigener Kraft, auch durch Auftrieb oder mechanischen Antrieb, durch die Luft, den freien Raum bewegt. Da eine Feuerwerksrakete einen Körper, sowie einen eigenen Antrieb besitzt kann und soll sie sich im freien Raum bewegen, womit die Vorrausetzungen eines Flugkörpers erfüllt wären, so jedenfalls Wälder in r+s 2006, 139).
3.3. Feuerwerkskörper = Explosionsschaden
Das AG Neunkirchen geht davon aus, dass gezündete Feuerwerkskörper den Explosionsbegriff nur erfüllen, wenn sie als „Knallkörper“ ausgelegt bzw. mit einem „Knallsatz“ ausgestattet sind. Dies erweckt den Anschein, dass ein Schaden an der versicherten Sache unmittelbar durch die Sprengkraft des explosiven Körpers entstehen muss. Dies ist unzutreffend, da die Sachversicherung alle Schäden deckt, die adäquat kausal mit dem versicherten Ereignis verbunden sind. Somit sind Feuerwerkskörper ohne Knallsatz eine „auf dem Ausdehnungsbestreben beruhende, plötzliche verlaufende Kraftäußerung“, da diese durch den Rückstoß der Pulvergase in Rotation oder in sonstige Bewegungen versetzt werden (vgl. Wälder r+s 2007, 424).
- Auswirkung auf die Praxis
Die Urteile der Gerichte sowie die Stimmen der Literatur sind gleichwohl zu würdigen. Jedoch muss bedacht werden, sollten Feuerwerkskörper unter dem Absturz von Flugkörpern erfasst werden, der subjektive Missbrauch tendenziell steigen würde. Wie von den Gerichten (AG Neunmünster / AG Neunkirchen / LG Saarbrücken) richtig erkannt wurde, wären somit nämlich alle kurzzeitig durch die Luft fliegende Gegenstände wie z. B. geworfene Steine, geschossene Bälle oder anderweitige Geschosse von Versicherungsschutz umfasst. Dies scheint auch aus der „Auslegungssicht“ des durchschnittlichen Versicherungsnehmers deutlich zu weit zu gehen.