Keine Leistungskürzung auf Null bei unverschlossenem Abstellen des Fahrzeuges mit steckendem Zündschlüssel

Keine Leistungskürzung auf Null bei unverschlossenem Abstellen des Fahrzeuges mit steckendem Zündschlüssel

Anmerkung zu OLG Dresden (4. Zivilsenat), Hinweisbeschluss vom 21.11.2019 – 4 U 2082/19

A. Problemstellung

Das OLG Dresden hatte sich im Rahmen einer Berufung mit der Frage auseinander zu setzen, ob der Versicherer, sofern der Versicherungsnehmer sein Fahrzeug unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel abgestellt hat, seine Leistung  entsprechend § 81 Abs. 2 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles auf Null zu kürzen berechtigt ist.

Das OLG Dresden hebt hervor (positionierte), dass eine Leistungskürzung auf Null nach § 81 Abs. 2 VVG nur ganz ausnahmsweise in Betracht kommt.

Andererseits verdeutlicht diese Entscheidung aber auch, dass eine Leistungskürzung auf Null zwar grundsätzlich möglich, aber jeweils stets von den Umständen des Einzelfalles abhängig ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger war mit dem beklagten Versicherer über eine Teilkaskoversicherung verbunden. Nach Entwendung seines Fahrzeuges aus einer Einfahrt neben einem Waschsalon, macht der Kläger Ansprüche gegen den Kaskoversicherer geltend.

Die beklagte Versicherung weigerte sich zu zahlen, kürzte die Leistung auf Null und begründete dies damit, dass der Kläger grob fahrlässig gehandelt habe, weil das Fahrzeug unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel abgestellt worden sei. Der Kläger besuchte den Waschsalon maximal 10 Minuten.

Das Landgericht Dresden lehnte eine Kürzung auf Null ab und verwies bei seiner Entscheidung auf ein Urteil des BGH vom 22.06.2011 (IV ZR 225/10), wonach eine Leistungskürzung des Versicherers auf Null gemäß § 81 Abs. 2 VVG nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Ein solcher sei im hiesigen Fall allerdings nicht gegeben. Das Landgericht hielt eine Kürzung von 75 % für angemessen.

Das OLG Dresden unterstreicht, dass es für die Frage der Kürzungshöhe stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ankommt.

So sei einerseits darauf abzustellen, dass der Kläger keine hinreichenden Vorkehrungen gegen die Entwendung seines Fahrzeuges getroffen habe und dieses unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel abgestellt habe.

Auf der anderen Seite sei jedoch zu bedenken, dass der Kläger das Fahrzeug nicht auf der Straße, sondern in der Einfahrt neben dem Waschsalon, den er weniger als 10 Minuten besuchte, abgestellt hat. Zudem sei für Dritte nicht zu erkennen gewesen, dass das Auto des Klägers geöffnet gewesen sei- so waren alle Fenster und Türen geschlossen.

In seinem Hinweisbeschluss verweist das Gericht weiter darauf, dass auch die Tatsache, dass der Kläger das Fahrzeug außerhalb seines eigenen Wahrnehmungsbereich abgestellt habe, eine Kürzung auf Null nicht rechtfertige.

Ausschlaggebend sei nämlich, dass wegen des Abstellortes neben dem Waschsalon in der Einfahrt, nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass Fußgänger auf Höhe des steckenden Zündschlüssels an dem Fahrzeug vorbei laufen und den Schlüssel entdecken würden.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung überzeugt in Ergebnis und in der Begründung.

Es fehlt zwar an einer klaren Linie im Bereich der Quotenbildung im Falle einer grob fahrlässigen Herbeiführung eines Versicherungsfalles. Damit verdeutlicht der Hinweisbeschluss erneut, dass es stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommt und tendenziell im Sinne des Versicherungsnehmers entschieden wird.

Eine Kürzung auf Null kommt beispielsweise nach dem Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 22.06.2012 (2 O 8/12) dann in Betracht, wenn ein Angestellter einer KFZ-Firma einem Kaufinteressenten vorübergehend unbeaufsichtigt die Fahrzeugschlüssel überlässt, sodass diese durch den Austausch eines Kfz-Schlüssels das besichtigte Fahrzeug zu einem späteren Zeitpunkt entwenden konnten und der Firmeninhaber zuvor von der örtlichen Polizei durch eine Warnmeldung über mehrere vergleichbare Fälle informiert worden war.

Auch ist nach einer Entscheidung des LG Kleve (Urteil vom 13. 1. 2011, Az. 6 S 79/10) eine derart grob fahrlässige Handlungsweise – und eine Leistungskürzung auf Null- anzunehmen, wenn ein Fahrzeug nach Verlust des Fahrzeugschlüssels ohne weitere Sicherungsmaßnahmen an gleicher Stelle abgestellt wird.

Beide Gerichte gehen davon aus, dass es keine starren Vorgaben für die Bildung der Quote gibt, sondern diese nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu bemessen ist.

Anhaltspunkte sind daher stets die äußerlichen und objektiven Umstände -im kommentierten Fall einerseits die nicht getroffenen Vorkehrungen gegen eine Entwendung des Fahrzeuges, andererseits aber der gewählte Abstellplatz, die geschlossenen Fenster und die geringe Dauer der Abwesenheit des Versicherungsnehmers.

D. Auswirkungen auf die Praxis

Zu Recht weist das OLG Dresden darauf hin, dass es für die Frage nach der Höhe der Kürzung stets einer Einzelfallentscheidung bedarf, wobei eine Leistungskürzung auf Null im Falle grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles immer die Ausnahme bleiben muss. Der Versicherer muss jeden Einzelfall auch in Zukunft individuell prüfen und betrachten.

Darüber hinaus hat die Entscheidung zur Leistungskürzung auf Null im Rahmen von § 81 Abs. 2 VVG allerdings Auswirkungen über den Bereich der Kaskoversicherung hinaus. Auch in anderen Versicherungssparten muss eine Leistungskürzung auf Null die Ausnahme darstellen.

4 Gedanken zu „Keine Leistungskürzung auf Null bei unverschlossenem Abstellen des Fahrzeuges mit steckendem Zündschlüssel“

  1. Die Entscheidung ist wohltuend, weil Kürzung auf Null wirklich die seltene Ausnahme bleiben muss. Wer ein Auto unverschlossen und mit steckendem Zündschlüssel unbeaufsichtigt für zehn Minuten zurücklässt, ist allerdings schon ziemlich dämlich …
    Das im Blog angeführte Urteil aus Neubrandenburg zeichnet sich dadurch aus, dass das Gericht nicht geprüft hat, ob der Mitarbeiter des Autohauses versicherungsrechtlich als Repräsentant anzusehen ist. Auch das ist ganz schön …

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