Wenn der VN trinkt, dann sollte er schon „richtig“ trinken, um seinen Versicherungsschutz „wieder“ zu erlangen ?. In dem Fall des OLG Köln (9 U 20/17) hatte der VN unmittelbar nach dem Unfall eine festgestellte BAK von 2,19 ‰. Die daraus folgende absolute Fahruntüchtigkeit des VN war mitursächlich für den von ihm verursachten Verkehrsunfall, sodass der VR wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls gemäß § 81 Abs. 2 VVG i.V.m. A.2.19.1 der dem Versicherungsverhältnis der Parteien zugrundeliegenden AKB 2013 leistungsfrei ist. Der VN verwies dabei auf das Fehlen eines grob fahrlässigen Verhaltens, da er zum Zeitpunkt des Unfalls und zum Zeitpunkt vor dem Trinkbeginn sich in einem schuldunfähigen Zustand befand. Dies begründet er damit, dass er in dem Zeitpunkt des Trinkbeginns aufgrund eingenommener Medikamente schuldunfähig gewesen sei.
1. Bei einem BAK-Wert von über 1,1 ‰ 🥃 liegt nach ständiger Rechtsprechung eine absolute Fahruntüchtigkeit vor, sodass der VR die Leistung im Regelfall sogar wegen „gröbster Fahrlässigkeit“ auf Null kürzen kann. Zu prüfen kann dann nur noch sein, ob sich der VN entsprechend § 827 BGB im Zustand der Schuldunfähigkeit befunden hat. § 827 S. 1 BGB ist im versicherungsrechtlichen Zusammenhang entsprechend anwendbar und führt dazu, dass bei Schuldunfähigkeit grobe Fahrlässigkeit entfällt.
Allerdings kann unter Umständen auch auf ein vorangehendes Verhalten des VN abgestellt werden (BGH Urt. v. 22.06.2011 -IV ZR 225/10). Rechnet der VN bereits vor Trinkbeginn oder in einem noch schuldfähigen Zustand damit, dass er unter Alkoholeinfluss ein Kfz fährt und keine Vorkehrungsmaßnahmen trifft um dies zu verhindern, so setzt der Vorwurf der schuldhaften Herbeiführung des Versicherungsfalles bereits zu diesem Zeitpunkt ein. Somit muss der VN nicht nur zum Zeitpunkt des Unfalls die Schuldunfähigkeit nachweisen (Stufe 1), sondern auch zum Zeitpunkt vor dem Trinkbeginn (Stufe 2).
2. Eine bestehende Schuldunfähigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls kann der VN anhand eines BAK-Werts von regelmäßig mindestens 3,0 ‰ 🥃🥃🥃 und einer Gesamtschau der folgenden Indizien nachweisen:
Angaben des Fahrers gegenüber der Polizei und dem Arzt anlässlich der Blutentnahme, Alkoholgewöhnung, physische und psychische Konstitution des Fahrer, die an den Tag gelegte Fahrweise, Zeit, Menge und Art der Nahrungsaufnahme. Eine bereits vor dem Trinkbeginn bestehende Schuldunfähigkeit liegt allerdings nur unter besonderen Voraussetzungen vor. Führt der Alkoholwert zu einer Unzurechnungsfähigkeit des Fahrers, so darf der Fahrer sich nicht grob fahrlässig in diesen Zustand versetzt haben, wenn er zuvor nicht ausschließt, dass er sein Kfz noch bewegt (vgl. Langheid in: Langheid/Rixecker, Versicherungsvertragsgesetz, § 81 Rn. 51, 5. Auflage 2016). Dabei kommt eine entsprechende Anwendung von § 827 Satz 2 BGB oder die Anwendung der Grundsätze der actio libera in causa in Betracht. Maßgeblich ist für den VN, ob und welche Vorkehrungen er getroffen hat, um eine Fahrt in alkoholisiertem Zustand zu verhindern.
3. Der VN muss seine Schuldunfähigkeit und deren Ursachen beweisen.
Dabei wird oftmals die Einnahme von Medikamenten als Grund vorgetragen. Die Medikamente müssen nachweislich im Zusammenspiel mit Alkohol die Willens- und Steuerungsfähigkeiten einschränken. Der VN muss Anhaltspunkte vortragen, durch die sich der Gehirnstoffwechsel durch die Medikamente derart verändert hat, dass er auch im Vorfeld der Autofahrt nicht mehr zur freien Willensbestimmung in der Lage ist (LG Köln Urteil vom 17.11.2004 – 20 O 331/04). Ein weiterer Anhaltspunkt kann dabei auch das alltägliche Verhalten im Vorfeld der Fahrt sein. Eine Einschränkung könnte dann vorliegen, wenn der VN ohne Verschulden unter Drogeneinfluss gestellt wird und dadurch seinen Willen zum Alkoholgenuss nicht mehr beeinflussen kann. Fraglich ist, wie sich der Sachverhalt darstellt, wenn der VN an einen chronischen Alkoholgenuss leidet. Selbst wenn man annehmen würde, dass bei einem Schwerstalkoholabhängigen das Versetzen in die Schuldlosigkeit bereits auf Grund der Krankheit nicht einem freien Willensentschluss entspringt, ändert dies nichts an dem grob fahrlässigen Verhalten. Es stellt sich nämlich grob fahrlässig dar, wenn diese kranke Person keine Sicherungsmaßnahmen trifft, sich nicht in einen Pkw zu setzen und damit zu fahren (vgl. LG Köln Urteil vom 17.11.2004 – 20 O 331/04).
Fazit: Hat ein VN zum Unfallzeitpunkt eine BAK von rund 3 Promille, so kann eine Schuldunfähigkeit in Betracht kommen. Zu prüfen ist aber stets, ob ein grob fahrlässiges Verhalten nicht darin zu sehen ist, dass der VN schuldhaft diesen Zustand herbeigeführt hat, etwa indem erforderliche Sicherungsmaßnahmen unterlassen wurden.