Kurzfristiges Verlassen der Wohnung = Obliegenheitsverletzung ?

Das deutsche und das österreichische VVG waren bis zur Reform des deutschen VVG nahezu deckungsgleich und nach wie vor bestehen sehr große Gemeinsamkeiten. Ein Beispiel,  wie bei gleicher Rechtslage Richter zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommt, bietet eine aktuelle Entscheidung des OGH Wien (VersR 2017, 191):

 Sachverhalt

Es bestand eine Hausratversicherung, in denen vereinbart war:

„Wenn die Versicherungsräumlichkeiten auch nur für kurze Zeit von allen Personen verlassen werden, sind sie zu versperren und Sicherungen, die vertraglich mit Besonderen Bedingungen vereinbart sind, vollständig anzuwenden

Die vorgenannten Sicherheitsvorschriften gelten als vereinbarte Sicherheitsvorschriften im Sinne des Art. 3 ABS.“

Es kam zu einem Einbruch und die Haustür war zu diesem Zeitpunkt lediglich zugezogen, also nur „ins Schloss gefallen“), jedoch nicht mit dem Schlüssel zugesperrt. Die Haustür war auf der Außenseite mit einem Knauf versehen, sodass sie von außen nicht ohne Weiteres geöffnet werden konnte.

Lösung OGH Wien

Es weist die Klage ab, denn nach den AVB sind die Versicherungsräumlichkeiten zu versperren, wenn diese auch nur für kurze Zeit von allen Personen verlassen werden. Daß die Tür außen über einen Türknauf verfüge reiche nicht. Denn am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers  bietet für den VN erkennbar das Zuziehen einer Haustür mit einem Knauf auf der Außenseite nach allgemeinem Kenntnisstand einen weit geringeren Einbruchsschutz. Erst die aktive Betätigung des Schließmechanismus und die damit einhergehende Sperrfunktion bewirke, dass ein entsprechendes Fachwissen und/oder deutliche Gewaltanwendung erforderlich ist, um über eine Haustür in die versicherten Räumlichkeiten zu gelangen. Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer geht demnach bei dieser Bedingungslage davon aus, dass ein bloßes Zuziehen einer Haustür mit einem Knauf auf der Außenseite nicht dem geforderten „Versperren“ genügt. denn

„Versperren bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch die aktive Betätigung des Schließmechanismus.“

Kritik

Die Entscheidung des OGH ist zwar zutreffend begründet und die bemühte Auslegungsmethodik zutreffend (näher zur Auslegung von AVB Günther, Methodenlehre im Versicherungsrecht, iBook, nähere hier ). Im zweiten Schritt hätte das OGH aber prüfen müssen, ob die Klausel den wirksam ist. Dies gilt umso mehr, als der BGH bereits im Jahre 1990 eine ähnliche Klausel als AGBG-widrig verworfen hatte.

Die vom BGH zu prüfende Klausel lautete:

„Der Versicherungsnehmer hat …solange sich in der Wohnung niemand aufhält, Türen, Fenster und alle sonstigen Öffnungen der Wohnung ordnungsgemäß verschlossen zu halten sowie alle bei Antragstellung vorhandenen und zusätzlich vereinbarten Sicherungen – insbesondere Einbruchmeldeanlagen – voll gebrauchsfähig zu erhalten und sie zu betätigen, soweit nicht etwas anderes vereinbart wurde.“

Damit sei, so der BGH, auch jedes kurzfristige Verhalten des VN sanktioniert. Selbst der kurze Gang zur Mülltonne. Damit werde der VN unangemessen benachteiligt.

Dem ist beizupflichten. Aktuelle Bedingungen einiger Hausratversicherer belassen diese – grds. ja durchaus sinnvolle – Klausel in den AVB, schränken diese aber ein, indem sie den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit aufnehmen. Bei einer solchen Einschränkung habe ich keine Bedenken an der Wirksamkeit der Klausel. Selbstverständlich sind dann die weiteren Voraussetzungen des § 28 VVG zu prüfen, insb. der Verschuldensgrad und die Höhe der Kürzung bei einer groben Fahrläsigkeit.

Das Urteil des OGH im Volltext finden Sie hier:

Haushaltsversicherung: zur Obliegenheit des „Versperrens“ der Eingangstür beim Verlassen des versicherten Objekts

 

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