Tiefergelegter 3-er BMW, Opel Manta, Ford Capri & Co: Nicht nur bei diesen Werken der Ing.-Kunst stellt sich die Frage: Ist das Überfahren einer Bodenschwelle und die hieraus resultierende Beschädigung des Fahrzeugs versicherter Unfall ?
Damit haben sich – mit gegenläufigen Ergebnissen – das LG München II (10 O 3458/16) und das LG Nürnberg (8 O 7495/15; Berufungsinstanz OLG Nürnberg 8 U 934/16; jeweils abgedruckt in r+s 2017, 136 ff) befasst.
Zunächst übereinstimmend haben alle Gerichte das Vorliegen eines Unfallereignisses bejaht: Die insoweit einschlägige Bestimmungen (A. 2. 3 AKB 2008) lautet:
„Versichert sind Unfälle des Fahrzeugs. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis.“
Während die erhöhte Bodenschwelle fraglos ein plötzlich von außen kommendes Ereignis darstellt (letzteres wurde vom BGH – IV ZR 128/14 – sogar schon bei der Einwirkung von Spurrillen bejaht), bereitet die in den AKB nun folgende Einschränkungen des Versicherungsschutzes mehr Probleme:
“Nicht als Unfallschäden gelten insbesondere Schäden aufgrund eines Brems-oder Betriebsvorgangs oder reine Bruchschäden. Dazu zählen zum Beispiel Schäden am Fahrzeug durch rutschende Ladung oder durch Abnutzung, Verwindungsschäden, Schäden aufgrund Bedienungsfehler oder Überbeanspruchung des Fahrzeugs.“
Auch in der Interpretation dieser Klausel sind sich die Richter aus München und Nürnberg zunächst dahingehend einig, das ein vom Versicherungsschutz ausgeschlossener Betriebsschaden dann vorliegen soll, wenn die erlittenen Schäden zum normalen Betrieb eines Kfz gehören bzw. das Fahrzeug nach seiner Zweckbestimmung eine solche Verwendung normalerweise schadlos überstehen sollte.
Basierend auf einer älteren Entscheidung des BGH (NJW 1969, 96) führt das OLG Nürnberg (8 U 934/16) aus:
„Schäden, die durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen werden, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos sind, das in Kauf genommen wird, sind Betriebsschäden.“
Das hört sich zwar im ersten Moment sehr überzeugend an, lässt sich aber beim besten Willen aus der Definition des Betriebsschadens in A. 2. 3 AKB 2008 nicht ableiten. Von Schäden, die als Auswirkung des normalen Betriebsrisikos ausgeschlossen sein sollen, ist hier keine Rede. Pikanterweise hat das OLG Nürnberg übersehen, dass es selbst schon vor vielen Jahren (Urt. v. 23. 11. 1996 – 8 U 2337/96) eines der ersten Gerichte war, das Bedenken gegen eine derartige Ausweitung des Begriffs des Betriebsschadens hatte:
„Eine Abgrenzung in der Weise vorzunehmen, dass, wie das LG verfahren ist, die Versicherung das Risiko nicht abdecken soll, das mit einem besonders gefahrengeneigten Einsatz des Kfz verbunden ist, ist einleuchtend, nur fehlt hier die Legitimation deswegen, weil sie sich nicht auf den Wortlaut von § 12 AKB (a. F.)zurückführen lässt.“
Das ist nach wie vor richtig, hinzu kommt, dass das Urteil des BGH aus dem Jahr 1969 nicht überbewertet werden darf:
AVB wurden damals noch nicht aus der Sicht eines durchschnittlichen VN, sondern so wie Gesetze ausgelegt. Welche Konsequenzen aus einem derart veränderten Blickwinkel folgen können zeigt sich anschaulich an der völlig neuen Interpretation des Versicherungsfalls in der Rechtsschutzversicherung durch BGH IV ZR 214/14 (entgegen BGH IVa ZR 24/82).
Die AKB 2015 haben erfreulicherweise die Bedenken in der Literatur ((Knappmann, r+s Sonderheft 2011, 56; Maier r+s 2013, 427) und Rechtsprechung (LG Stuttgart r+s 2013, 425) gegen eine derart vom Bedingungstext losgelöste Interpretation des Betriebsschadens aufgegriffen. Dort heißt es nun unter der Überschrift
„Keine Unfallschäden sind deshalb insbesondere:
Vorhersehbare Beschädigungen des Fahrzeugs, die üblicherweise im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung des Fahrzeugs entstehen, gelten nicht als Unfallschaden. Beispiel: Schäden an der Ladeoberfläche eines Lkw durch Beladen mit Kies“.
Nicht einfach zu beantworten bleibt letztlich die Frage, wann eine vorhersehbare Beschädigung des Fahrzeugs vorliegt. Das LG und OLG Nürnberg haben das bei einer erkennbaren Bodenschwelle und einer Geschwindigkeit von 50 km /h bejaht, das LG München bei einer nicht erkennbaren Bodenschwelle verneint.
Danke für den Tipp!
Ein sehr informativer Beitrag. Danke.