Anlässlich des kurz zurückliegenden 75. Jahrestags der sogenannten „Reichspogromnacht“ stellt sich die Frage, wie die Versicherer diesen Schaden „versicherungstechnisch abwickelten“? (In den kommenden Tagen jährt sich dieses Ereigniss zum 82-zigsten Male- Anmerkung der Redaktion)
Nach den damaligen Schätzungen der Feuer-, Einbruchdiebstahl- und Glasversicherer betrugen die grundsätzlich versicherten Sachschäden rund 45 Millionen Reichsmark (RM). Es entfielen 15 Millionen RM auf die öffentlich-rechtlichen Versicherer, 29 Millionen RM auf die privaten Versicherer, davon wiederum betrafen 25,7 Millionen RM inländische Juden, 1,8 Millionen RM ausländische Juden und 1,4 Millionen RM Nichtjuden.
Entsprechend der nationalsozialistischen Sprachregelung sollte es sich bei diesem vom Staat initiierten Programm um eine „Empörung des Volkes“ handeln. Dies führte bei den Sachversicherern zur Frage, ob die Schäden denn überhaupt versichert seien und ob nicht der in allen Sachversicherungsbedingungen vereinbarte Ausschluss für „innere Unruhen“ eingreife? Dies wiederum fiel nicht auf das Wohlwollen der Parteiführung. In einer berühmt-berüchtigten Sitzung im Reichsluftfahrtministerium am 12. November 1938 unter der Führung von Herman Göring einigte man sich mit Vertretern der Versicherungswirtschaft auf einen „Deal“: Die Schäden bei ausländischen Juden und Nichtjuden wurden „im Kulanzwege“ in voller Höhe reguliert. Alle Schäden an Gütern bei inländischen Juden wurden mit einer „Pauschalzahlung“ in Höhe von (nur) 1,5 Millionen RM abgegolten.
Im Reichsgesetzblatt werden die Versicherungsleistungen an verschiedenen Stellen erwähnt. Von Bedeutung bezüglich der „Reichsprogromnacht“ ist dabei Folgendes: Zunächst erging am 12. November 1938 die „Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes bei jüdischen Gewerbebetrieben“ (vergleiche dort § 2 Abs. 2, wo es heißt: „Versicherungsansprüche von Juden deutscher Staatsangehörigkeit werden zugunsten des Reichs beschlagnahmt.“ Den Juden, an Dreistigkeit ist dies kaum zu überbieten, wurde eine „Sühneleistung“ in Höhe von 1 Milliarde Reichsmark auferlegt, vergleiche § 1 der „Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit“ vom 12. November 1938. In der „Durchführungsverordnung über die Sühneleistung der Juden“ vom 21. November 1938 heißt es schließlich in § 7, dass die Zahlungen aus Versicherungsansprüchen an das zuständige Finanzamt abzuführen sind.
Dirk-Carsten Günther
Kölner Versicherungsspitzen 18 – 12/2013