Eine Grillparty mit schweren Folgen

Jeder kommt in seinem Leben mal auf verrückte Ideen, die sich – wenn sie in keinem ernsthaften Schaden enden – für nette Geschichten aus vergangenen Tagen eignen oder für ausreichendes Gelächter sorgen. Kommt jemand bei einer Grillfeier auf die „verrückte“ Idee, einen Kessel mit einem Benzin-Alkohol-Gemisch in nächste Nähe eines Feuers zu stellen und wird durch eine Stichflamme eine andere Person verletzt, kann es für deren Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger darauf ankommen, ob der Deckungsprozess gegen die private Haftpflichtversicherung des Schädigers in Österreich oder in Deutschland geführt wird.

Anmerkung zu: ÖOGH, Beschluss vom 17.04.2024 – 7 Ob 55/24z

Erstinstanzliches Urteil: OLG Linz, Urteil vom 01.02.2024 – GZ 2 R 4/24g-32

Von: Elisabeth Berger, Nassima Geles, Philipp Roth

  • Problemdarstellung

Der Senat des österreichischen Obersten Gerichtshofs hatte über eine (außerordentliche) Revision des Klägers zu entscheiden. Schwerpunkt hierbei war die Frage, ob das Verhalten des Schädigers eine „Gefahr des täglichen Lebens“ im Sinne der Versicherungsbedingungen der Privathaftpflichtversicherung darstellt und damit, ob ein Deckungsanspruch besteht.

  1. Inhalt der Entscheidung

Die streitenden Parteien waren über einen Versicherungsvertrag verbunden, welcher auch einen Baustein der Privathaftpflichtversicherung enthielt. Dieser lagen die „Klipp & Klar-Bedingungen“ für die Zuhause & Glücklich Wohnungsversicherung, Deckungsvariante „Optimal“ in der Fassung 05/2014 (ZGWO) zugrunde und enthielten u.a. folgende Regelungen:

„Was gilt als Versicherungsfall? – Artikel 5:

Ein Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem privaten Risikobereich entspringt und aus welchem den versicherten Personen Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten.

[…]

Welche Gefahren sind versichert? – Artikel 7:

Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers und der im Artikel 6 genannten mitversicherten Personen als Privatpersonen aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts, insbesonders

[…]“ [Hervorhebung durch die Verfasser].

Der Kläger stellte bei einer Grillfeier einen Topf mit einem Benzin-Alkohol-Gemisch auf eine auf einer Feuerschale befindliche Holztüre in ein brennendes Lagerfeuer. Eine sich in der Folge entwickelnde Stichflamme erfasste eine der Anwesenden. Sie erlitt dadurch Verbrennungen zweiten Grades.

Der Kläger begehrt von dem beklagten Versicherungsunternehmen die Deckung des von der Geschädigten gegen ihn geltend gemachten Schadens.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Hierbei folgten sie der ständigen Rechtsprechung des ÖOGH hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „Gefahr des täglichen Lebens“.

Dies sah der Senat nicht als korrekturbedürftig an und führte in seinem Beschluss die Grundsätze zu dieser Auslegung aus.

Hiernach sei in Art. 7 der ZGWO eine primäre Risikobeschreibung zu sehen, wonach der Risikobereich der Gefahren des täglichen Lebens unter Versicherungsschutz gestellt werde. Darunter seien Gefahren zu verstehen, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden müsse. Die Gefahr eines Menschen, sich einem gesetzlichen Haftpflichtanspruch gegenüber ausgesetzt zu sehen, sei im Leben eines Durchschnittsmenschen eine Ausnahme. Daher bezwecke die PHV grundsätzlich den Versicherungsschutz von Ausnahmesituationen eines Durchschnittsmenschen.

Nach den vom ÖOGH aufgestellten Grundsätzen sei nicht erforderlich, dass die Gefahr täglich auftritt. Stattdessen reiche es aus, „wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt“.

Verhält sich der Versicherungsnehmer (oder die versicherte Person) rechtswidrig oder sorglos, bedeute das grundsätzlich noch nicht, dass der Versicherungsschutz aufgrund der Voraussetzung der Gefahr des täglichen Lebens entfällt.

Eine ungewöhnliche Gefahr hingegen sei nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Das vorsätzliche Herbeiführen einer Brand- oder Explosionsgefahr aus bloßem Mutwillen zähle daher nicht zur Gefahr des täglichen Lebens.

Nach dem Senat sei ein „Eskalieren einer Alltagssituation“ vom Versicherungsschutz umfasst, aber eine „ungewöhnliche und gefährliche Tätigkeit“ nicht. Welche dieser Alternativen vorliege, sei einzelfallabhängig.

  • Kritische Würdigung

Der ÖOGH bleibt seiner Linie treu1 , wie auch schon die Vorinstanzen. Der Senat legt den Begriff der „Gefahren des täglichen Lebens“ in der Weise aus, dass damit solche Gefahren gemeint sind, in die ein Durchschnittsmensch im Laufe seines Lebens wiederholt – wenn auch seltener – geraten kann. Sich einem Haftpflichtanspruch gegenüber gestellt zu sehen sei schon selten genug und damit eine ungewöhnliche (Ausnahme-)Situation. Daher sei im Grundsatz auch eine Gefahr erfasst, die aus Ausnahmesituationen entsteht. Davon abzugrenzen sei aber eine „ungewöhnliche Gefahr“, bei deren Vorliegen der Versicherungsschutz versagt bleibt.

Aufgrund seiner Auslegung gelangt der Senat nicht mehr zur Frage etwaiger Ausschlusstatbestände.

Zur Auslegung des Begriffs zieht der Senat den Zweck der PHV heran, welche darin liegt, den Versicherungsnehmer von privatrechtlichen Schadenersatzansprüchen dann freizustellen, wenn er sich einem solchen im privaten Risikobereich gegenüber stehen sieht. Dies sei nach Auffassung des Senats eine Ausnahmesituation. Daher sei der Zweck der PHV diese Ausnahmesituation abzudecken. Aus der

Ausnahmesituation sich einem gesetzlichen Haftungsanspruch eines Geschädigten gegenüber stehen zu sehen folgt der Senat, dass auch das zum Haftungsanspruch führende Verhalten des Versicherungsnehmers aus einer Ausnahmesituation herrührt.

Auch wenn die primäre Risikobeschreibung grundsätzlich weit auszulegen ist, bedarf es für den Senat wohl einer Begrenzung, welche er durch „ungewöhnliche Gefahren“ schafft.

Dass es für diese Abgrenzung auf den Einzelfall ankommt, dürfte folglich nahe liegen. Für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer dürfte es im Zweifel allerdings schwierig sein, zu erkennen, ob sein Verhalten eine ungewöhnliche Gefahr geschaffen hat oder ob eine Alltagssituation bloß eskaliert ist.

Demgegenüber wird nach wohl h.M. in Deutschland eine solche Begrenzung in der primären Risikobeschreibung nicht gesehen.2

Damit sind grundsätzlich auch rechtswidrige Verhaltensweisen oder „ungewöhnliche Gefahren“ vom Versicherungsschutz umfasst. Eine Deckungsablehnung lässt sich danach mit dem Vorliegen von vereinbarten Risikoausschlüssen begründen.

Eine vorsätzliche Herbeiführung des bei der Geschädigten eingetretenen Schaden ist dem Sachverhalt des ÖOGH-Beschlusses nicht zu entnehmen. Zudem wäre das Vorliegen der Ausschlussvoraussetzungen von der Beklagten darzulegen und zu beweisen. Nach deutscher Rechtsanwendung wäre die Beklagte wohl verurteilt worden.

  1. Auswirkung auf die Praxis

Neue Erkenntnisse erwachsen aus der hiesigen Entscheidung des ÖOGH für die österreichische Rechtsanwendung nicht, da der Senat seine Grundsätze wiederholt. Letztlich führt der Beschluss zur Verfestigung der Rechtsprechung und gibt ein neuerliches Fallbeispiel für den – nach dem Senat – zu Recht versagten Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung.

Die Entscheidung zeigt auf, dass es auch Unterschiede zwischen dem österreichischen und dem deutschen Versicherungsrecht gibt. Es kann einen erheblichen Unterschied für einen Versicherungsnehmer einer Privathaftpflichtversicherung machen, ob er einen Deckungsprozess in Österreich oder in Deutschland führt. Hier sind die Rechtsanwälte bei dahingehenden, grenzüberschreitenden Sachverhalten dazu berufen, im Sinne ihrer Mandanten zu prüfen, welcher Gerichtsstand in Frage kommt und welche Rechtsanwendung im konkreten Fall vom angerufenen Gericht anzuwenden wäre, bevor eine Deckungsklage erhoben wird.

Hinweis: Die Urteilsbesprechung ist im Oktober 2024 als Gruppenarbeit im Modul 6 – Haftpflichtversicherung – des Masterstudiengangs Versicherungsrecht (LL.M.) des Instituts für Versicherungswesen der TH Köln erstellt worden.

  1. So z.B. ÖOGH, Urt. v. 28.4.2022 – 7 Ob 7/22p; sowie bereits mit Urt. v. 17.02.1971 – 7 Ob 23/71. ↩︎
  2. Vgl. Prölss/Martin/Lücke, VVG, 32. Aufl. 2024, MB PHV Abs. 1 Ziff. 1, Rn. 10 ↩︎