So lautete eine Überschrift in einem Beitrag des Versicherungsjournals. Dieser Beitrag endete mit folgenden Sätzen:
„Am Anfang aller unternehmerischen Bemühungen indes sollte eine – jetzt möglichst dreidimensionale – Potenzial-Analyse erfolgen. Tiefenpsychologie kann hier schon einmal auf Big Data treffen und beim potenziellen Kunden manch Vorbehalt in Sachen Datenschutz offenbaren. Nicht zuletzt fürchtet manch einer schon den Angriff der hochvernetzten Kühlschränke.“
Zugegebenermaßen habe ich diese Ausführungen nicht verstanden. Was ist eine „dreidimensionale Potenzialanalyse“? Was hat eine Tiefenpsychologie, die üblicherweise auf Sigmund Freud zurückgeführt wird, mit Big Data zu tun? Und die wichtigste Frage: Um was für einen „Angriff der hochvernetzten Kühlschranke“ soll es gehen?
Ich finde keine Antworten. Das liegt sicherlich darin, dass ich als Jurist nur wenig mit einer Sprache anfangen kann, deren Erkenntnisgewinn recht überschaubar ist und die Präzision und Klarheit durch Anglizismen und/oder ebenso nichtssagende wie blumige Begrifflichkeiten ersetzt. Jedenfalls wollte dieser Beitrag versuchen, das „Smart Home“ in einem Haushalt zu erklären.
Aber was versteckt sich unter dem Schlagwort „Smart Home“?
Unter einem Smart Home versteht man üblicherweise die intelligente Vernetzung einzelner Komponenten innerhalb des Hauses (Hardware und Services) und deren zentrale Steuerung und Überwachung über Endgeräte. Der eigentliche Mehrwert von Smart Home liegt im intelligenten Zusammenspiel der Komponenten und nicht (nur) in der Ansteuerung der einzelnen Hardware.
Für den Versicherungsnehmer und den Versicherer bietet diese smarte Zuhause auf den ersten Blick viele Vorteile: Es können viele schadenverursachende Ereignisse so früh erkannt werden, dass es zu keinem Schaden mehr kommt, zum Beispiel wenn ein Sensor an den Leitungen schon einen Haarriss meldet, bevor der „erste Tropfen“ austritt. Aber auch die Marketingabteilung des Versicherers freut sich, da durch das Smart Home nebst Rabattierung für die Hardware-Komponenten und die Versicherungsprämie sich die Kundenbindung erhöht. Auch werden neue Zielgruppen angesprochen, seien es insbesondere alte und hilfebedürftige Personen, sei es die junge Generation der „digitalen Ureinwohner“. Bei vielen anderen wird dies nicht der Fall sein. Ich glaube kaum, dass zum Beispiel die Bundeskanzlerin, für die das Internet im Jahre 2013 „Neuland“ war, das Bundeskanzleramt auf Smart Home umrüsten wird.
Für Juristen stellen sich zudem interessante Fragen des Versicherungsrechts: Was macht der Versicherungsnehmer, wenn bei einem vorgeblichen Einbruchdiebstahl keine genügenden Einbruchspuren vorhanden sind, weil der Täter sich den Zugang zum Smart Home „gehackt“ hat, indem er das WLAN-Netz des Versicherungsnehmers infiltrierte? Oder kann sich der Feuerversicherer auf die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls berufen, wenn der Versicherungsnehmer auf der Autobahn über Fernsteuerung seine Sauna zu Hause schon einmal aufheizt und ein auf dem Ofen zurückgelassenes Handtuch Feuer fängt?
Wie ist es vertragsrechtlich zu bewerten, wenn diese Systeme künftig selbständig handeln? Kann man ab einem bestimmten Grad der Autonomisierung noch sagen, ob die Erklärungen, die durch das System erzeugt werden, vom Betreiber des Systems stammen und diesem zurechenbar sind? Auch wenn ich mir einen „Angriff der hochvernetzten Kühlschränke“ so recht nicht vorstellen kann: Wenn seine Sensoren dem so intelligenten Kühlschrank „Nachschubbedarf“ melden und dieser statt zwei Gläser Senf versehentlich zwei Europaletten Senf einkauft, ist ein wirksamer Kaufvertrag durch den Kühlschrank geschlossen worden? Zur Beruhigung: Auf Grundlage der gegenwärtigen Rechtslage ist jedenfalls eines klar: Diese Systeme haben keine eigene Rechtspersönlichkeit. Die Erklärung des Kühlschranks ist immer eine des Nutzers, da dieser die Rahmenbedingungen vorgibt.
Wie sieht es schließlich haftungsrechtlich aus, wenn diese Systeme „durchdrehen“ und uns, was ja der Verfasser des eingangs erwähnten Beitrags befürchtet, die Kühlschränke angreifen? Der Jurist blättert als erstes (online) im Gesetz und findet so recht nichts, was passt. Deliktische Haftung oder Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz? Mag sein, aber dann muss zunächst einmal ein Fehler dem Hersteller nachgewiesen werden, unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein Verschulden vorliegt. Bei einem „angreifenden Pkw“ ist es einfacher, da man dort bereits den Gefährdungshaftungstatbestand des § 7 StVG hat. Kommt vielleicht eine analoge Anwendung der verschuldensunabhängigen Tierhalterhaftung, also des § 833 Satz 1 BGB in Betracht („Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen“)? Es handelt sich zwar um eine gesetzliche Ausnahmeregelung und bei einer solchen ist mit einer Analogie Zurückhaltung geboten, aber keineswegs ausgeschlossen. Die Interessenslage ist durchaus vergleichbar, profitiert doch der Tierhalter von seinem Tier, gleichzeitig eröffnet er jedoch eine Gefahrenquelle, auf die er aufgrund der tierischen Unberechenbarkeit keinen absoluten Zugriff hat. Es gibt also durchaus Parallelen zu dem „angreifenden Kühlschrank“. Und entspricht das nicht ohnehin unserem Empfinden (insbesondere bei Benutzung eines Windows-Rechners): „Computer sind tierisch“?
Dirk-Carsten Günther, 12-2015