Es ist schon über ein Jahr her, dass ich mit meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen zuletzt physisch im selben Raum war. Ich kann mich noch ziemlich genau daran erinnern: Das war bei der vorletzten Klausur unseres Masterstudiums, die letzte sollte eigentlich nur wenige Tage später stattfinden. Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt hat keiner von uns auch nur geahnt, dass wir uns bis zu unserem Abschluss nicht mehr live und in 3D, sondern nur noch virtuell treffen würden. Die meisten von uns hatten bereits Pläne geschmiedet, was wir alles nach der Abgabe der Masterarbeit machen würden – wir wollten zusammen feiern, einige wollten reisen, andere wollten in eine neue Stadt ziehen.
Mit der Pandemie kam alles anders. Wir sind zu Hause geblieben, haben gelernt, aufgeräumt und ausgemistet, sind spazieren gegangen und haben mit Freunden und Familie geskypt, gezoomt und geteamst – und natürlich weiterstudiert. So ungewohnt das zunächst für uns war, gehören digitale Meetings, virtuelle Seminare und Online-Klausuren mittlerweile genauso selbstverständlich zu unserem Alltag wie Online-Spieleabende oder Gin-Tastings am PC mit Freunden. Auch das Berufsleben startete für viele von uns dort, wo wir eigentlich nach dem ersten Tag das Feierabendbier genießen wollten: am Küchentisch.
Je näher der 16. Januar 2021 rückte, desto stärker zeichnete sich ab, dass unser Masterjahrgang in diesen Tagen keine gewöhnliche Masterabschlussfeier in der Rotunde würde feiern können. Anstatt die Feier ganz ausfallen zu lassen, bot sich die Möglichkeit, diese kurzerhand in den digitalen Raum zu verlegen. Dabei kam die Frage auf: Wie macht man einen Studienabschluss unvergesslich, wenn man theoretisch alleine in Jogginghose auf dem Sofa sitzt?
Getreu dem Motto „außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen“ durfte ich als Teil der Planungsgruppe gemeinsam mit der Studiengangsleitung, Prof. Dr. Michaele Völler, und der Studiengangsbetreuerin, Maaike Heuwold, unsere digitale Abschlussfeier mitorganisieren. Unser Ziel war eigentlich einfach: Wir wollten eine einmalige Abschlussfeier auf die Beine stellen. Einzige Herausforderung: Wir mussten uns für fast jedes Charakteristikum einer klassischen Abschlussfeier einen Plan B überlegen.
Also haben wir den Spieß umgedreht: Warum nicht eine Abschlussfeier gestalten, bei der die vermeintlichen Schwächen die größten Stärken werden?
Mit genau diesem Ansatz haben wir uns Anfang Dezember zum ersten Mal zusammengesetzt. Es war uns wichtig, eine würdige Feier auf die Beine zu stellen, an die wir uns gerne erinnern; eine Feier, die so persönlich ist, dass wir wirklich das Gefühl haben, dass wir gefeiert werden – für unseren Masterabschluss und – vor allem – dafür, dass wir durchgehalten haben, allen Widrigkeiten zum Trotz. Und ich glaube, das haben wir geschafft.
Wie haben wir das geschafft? Wenn ich jetzt auf unsere Feier zurückschaue, waren für mich fünf Aspekte besonders wichtig:
Key Learning 1: Anders ist nicht unbedingt schlechter: Dinge nicht so machen zu können, wie man es gewohnt ist, heißt im Prinzip nur, Altes neu zu denken – und es kann durchaus ganz erfrischend sein, alte Pfade zu verlassen (da wir es vorhin ja schon vom neuen Hobby Spazierengehen hatten). Key Learning 1,5: Man braucht nur Proviant.
Um beidem gerecht zu werden, haben wir uns ein kleines Mittel zur Steigerung der Vorfreude ausgedacht: Wenn wir als Absolventen nicht zur Feier kommen können, dann kommt die Feier eben zu uns. So haben wir für jeden ein kleines Paket zusammengestellt und per Post verschickt. Eingepackt haben wir nicht nur besondere Aufmerksamkeiten wie eine handgeschriebene Glückwunschkarte und kleine Geschenke, sondern auch einen Abschlusshut für jeden.
Key Learning 2: Ein Hoch auf Klebestift und Glitzerkonfetti! Wir wären nicht wir, wenn wir den Abschlusshut einfach nur so eingepackt hätten – nein, den gab es in Form von Rohmasse und Bastelanleitung. Wann kann man seine Bastelskills besser auffrischen als in Zeiten einer Pandemie? Und das Schönste: Neben der Steigerung der Vorfreude konnte jeder seinen Hut genau so gestalten, wie es ihm gefällt. Die Ergebnisse waren spitze wie die Fotos beweisen.
Key Learning 3: Make it personal! Eine Abschlussfeier ist zwar ein formeller Anlass, aber am Ende des Tages geht es gerade darum, dass wir uns hochleben lassen. Daher haben wir die Absolventinnen und Absolventen in den Mittelpunkt gestellt.
Jeder durfte ein paar Minuten auf die große Bühne – virtuell natürlich. Auf Basis von drei Leitfragen konnte jeder ein bisschen von sich erzählen: In welcher Tätigkeit bist Du aktuell beschäftigt? Was war Dein persönliches Highlight im Masterstudium Risk and Insurance? Welche Besonderheiten möchtest Du an Deinem selbstgebastelten Abschlusshut hervorheben?
Key Learning 4: Eine Abschlussfeier ist keine Vorlesung: Damit am Ende einer virtuellen Abschlussfeier Augen leuchten, braucht es ein bisschen Abwechslung – und vor allem Interaktion mit den Hauptpersonen: den Absolventinnen und Absolventen.
Daher haben wir ein buntes Programm gebastelt: eine Mischung aus dem altbekannten formellen Teil – aus Reden, Ansprachen und Würdigungen – und einem neuen informellen Teil, wie persönlichen Erfahrungen oder Fotoimpressionen des Masterjahrgangs. Für den kurzen Kreislaufboost haben wir die Fotos mit Jazz-Musik hinterlegt. So konnte schon mal jeder, der Lust hatte, zwischendurch das Tanzbein schwingen. Ein besonderes Highlight waren die zusammengestellten Vorher-Nachher-Fotos, die jede Absolventin und jeden Absolventen zu ihrer Einschulung und dem Masterabschluss zeigten. Zum Abschluss haben wir die große Runde nochmal in kleinere Gruppen aufgeteilt: So konnten sich alle Absolventen mit ihren Erstprüfern an virtuellen Stehtischen in entspannter Atmosphäre austauschen.
Key Learning 5: An virtuellen Stehtischen bekommt man keine Rückenschmerzen – und der Austausch in kleineren Gruppen ist ein wunderbarer Einstieg in eine anschließende private Feier. Und das Allerbeste: Am Ende muss keiner mehr fahren.